Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) tritt in Kraft – Arbeitgeber müssen jetzt handeln!
Veröffentlicht am 26th Jan 2021
Kürzlich haben sich Bund und Länder auf verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geeinigt. Nachdem im privaten und öffentlichen Bereich bereits umfassende Maßnahmen gelten, betreffen die Verschärfungen nun wesentlich die Unternehmen. Hierzu hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Corona-ArbSchV vorgelegt. Diese regelt Maßnahmen des betrieblichen Arbeitsschutzes wie eine Pflicht der Arbeitgeber ihre Mitarbeiter, wo möglich, im Home-Office arbeiten zu lassen sowie zahlreiche Regelungen zur Kontaktbeschränkung in den Betrieben und eine Maskenpflicht. Die bisher erlassenen Arbeitsschutzregelungen zu Corona, der Arbeitsschutzstandard sowie die Arbeitsschutzregel gelten weiter fort.
Für wen, ab wann und wie lange gelten die neuen Regelungen?
Die Corona-ArbSchV gilt verpflichtend für alle Arbeitgeber. Die zuvor im Referentenentwurf der Verordnung enthaltene Abhängigkeit der Regelungen vom jeweiligen Inzidenzwert ist in der verkündeten Fassung der Verordnung nicht mehr enthalten. Die neuen Regelungen gelten bereits ab Mittwoch, den 27. Januar 2021 (die Verordnung wurde am 22. Januar 2021 verkündet und tritt fünf Tage nach der Verkündung in Kraft). Die Regelungen der Verordnung sind zunächst befristet bis zum 15. März 2021. Arbeitgeber sollten sich darauf einstellen, dass die Regelungen auch verlängert werden könnten.
Welche Maßnahmen müssen Arbeitgeber ergreifen?
Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung:
Arbeitgeber müssen ihre Gefährdungsbeurteilung bezüglich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes überprüfen, aktualisieren und nötige Anpassungen vornehmen. Arbeitgeber sollten hierzu ihre Fachkräfte für Arbeitssicherheit kontaktieren sowie sich anwaltlich beraten lassen. Nach § 6 ArbSchG sind die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung stets auch zu dokumentieren. Um auf behördliche Kontrollen vorbereitet zu sein, sollten Arbeitgeber diese Pflicht ernst nehmen.
Kontaktreduzierung – Ermöglichung von Home-Office:
Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen sowie betriebliche Zusammenkünfte sind auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. Als Alternative schlägt die Verordnung die Nutzung von Informationstechnologien (z.B.: Video- oder Telefonkonferenzen) vor. Wo dies nicht möglich ist, haben Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen (wie Lüftungsmaßnahmen, Abtrennungen zwischen Mitarbeitern) den gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherzustellen. Arbeitgeber, welche die nötigen Maßnahmen nach der vom BMAS im vergangenen Jahr veröffentlichten „Arbeitsschutzregel“ bzw. des „Arbeitsschutzstandards“ umgesetzt haben, dürfte dies bereits bekannt vorkommen.
Als wesentliche Maßnahme der Kontaktreduzierung müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten (z.B. Tätigkeiten, die sich „digital“ von zu Hause aus durchführen lassen) anbieten, diese von zu Hause aus (Home-Office) zu erbringen. Die Pflicht Home-Office zu ermöglichen, gilt allerdings nicht, sollten zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen. Für Auslegungsschwierigkeiten kann die Klärung der Frage sorgen, wann „zwingende betriebsbedingte Gründe“ vorliegen. Ein zwingender Grund wäre z.B. denkbar, wenn ein Mitarbeiter Zugriff auf nur im Betrieb zugängliche Arbeitsmittel benötigt oder höchst vertrauliche Arbeiten erledigen muss. Die vom BMAS veröffentlichte FAQ-Liste zu der Verordnung benennt z.B. hierzu Tätigkeiten in Produktion, Dienstleistung, Handel, Logistik, sowie Bearbeitung von Wareneingang, Post etc. Arbeitgeber sollten sich nach besten Kräften bemühen, die Arbeit im Home-Office zu ermöglichen. Eine möglichst rasche Bekämpfung der Pandemie und damit Vermeidung weiterer verschärfender Maßnahmen liegt auch im Arbeitgeberinteresse. Zudem können die zuständigen Aufsichtsbehörden auch prüfen, ob zwingende Gründe vorliegen und ggf. durchsetzbare behördliche Anordnungen erlassen. Schlimmstenfalls droht die Anordnung, die Arbeit zu untersagen oder die spätere Festsetzung von Bußgeldern.
Für die Beschäftigten besteht keine Verpflichtung zur Annahme und Umsetzung des Angebots im Home-Office zu arbeiten. Die Verordnung regelt „nur“ die Pflicht der Arbeitgeber zur Prüfung, ob Home-Office möglich ist und dies unter Berücksichtigung der Regelungen der Verordnung den Mitarbeitern anzubieten. Für die Arbeit im Home-Office gelten nach wie vor die auch bereits jetzt geltenden Regelungen: Nötig ist, dass eine Vereinbarung zur Arbeit im Home-Office vorliegt (arbeitsvertragliche Abrede oder Betriebsvereinbarung) und, dass die Arbeit sowohl räumlich als auch technisch überhaupt möglich ist. In der Verordnungsbegründung hat das BMAS klargestellt, dass keine Pflicht des Arbeitgebers besteht, einen Telearbeitsplatz gemäß § 2 Abs. 7 der ArbStättV einzurichten.
Mindestfläche pro Person:
Für den Fall, dass die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen erforderlich ist, regelt die Verordnung, dass eine Mindestfläche von mindestens 10 m² für jede im Raum befindliche Person nicht unterschritten werden darf. Soweit die auszuführenden Tätigkeiten dies aber nicht zulassen, hat der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen den gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherzustellen. Beispielhaft nennt die Verordnung hier Lüftungsmaßnahmen und geeignete Abtrennungen zwischen den anwesenden Personen.
Kleingruppen:
Darüber hinaus regelt die Verordnung, dass Arbeitgeber in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten, diese in möglichst kleine Arbeitsgruppen einteilen müssen. Dabei sind Personenkontakte zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen im Betriebsablauf sowie Änderungen dieser Einteilung auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. Zudem haben Arbeitgeber zeitversetztes Arbeiten zu ermöglichen, soweit die betrieblichen Gegebenheiten dies zulassen.
Bereitstellung von Mund-Nasen-Schutz:
Sofern die oben geschilderten Anforderungen (geringere Raumbelegung, Abstandsregelung, Trennwände) nicht eingehalten werden können oder bei Tätigkeiten mit einem erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist (z.B. körperlich anstrengende Tätigkeiten, lautes Sprechen erforderlich), müssen Arbeitgeber medizinische Gesichtsmasken („OP-Masken“) bzw. FFP2-Masken zur Verfügung stellen. Weitere zulässige Maskentypen (z.B. N95, KN95, etc.) listet die Corona-ArbSchV in ihrer Anlage auf. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, die zur Verfügung gestellten Masken zu tragen.
Arbeitgebern ist es auch gestattet, andere ebenso wirksame Maßnahmen zu treffen. Es bleibt aber unklar, was solche Maßnahmen genau sein könnten. Denkbar wäre die Sicherstellung einer geringen Aerosolkonzentration durch spezielle Raumlüftungsanlagen. Vorsorglich sollten sich Arbeitgeber daher darauf einstellen, einen gemäß der Corona-ArbSchV zulässigen Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung zu stellen.
Wichtig ist zudem, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter beim An- und Ablegen der Schutzmasken unterweisen müssen, um mögliche Kontaminationen zu vermeiden. Wie immer im Arbeitsschutz trägt der Arbeitgeber die Kosten, also auch die Kosten der Zurverfügungstellung von Masken. Da es sich bei den Masken um Einmalprodukte bzw. Produkte mit einer Tragezeitbegrenzung handelt, müssen Arbeitgeber den Mitarbeitern regelmäßig (ggf. pro Schicht/Arbeitstag) neue Masken zur Verfügung stellen.
Muss der Betriebsrat mitbestimmen?
Auch müssen Arbeitgeber bei der Umsetzung der Regelungen der Verordnung die Mitbestimmungsrechte (v.a. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) des Betriebsrates beachten. Für Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes besteht immer dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Umsetzung der Regelungen einen Spielraum erlaubt. Bei der Ausgestaltung dieses Spielraums (z.B. etwaige alternative Maßnahmen statt einer Schutzmaske, § 3 Abs. 3 Corona-ArbSchV) müssen Arbeitgeber und Betriebsrat also eine Einigung finden. Da die Verordnung bereits ab dem 27. Januar 2021 gelten wird, sollten Arbeitgeber auch hier möglichst rasch handeln.
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