Energy

Deutschland verfolgt neue nationale Klimaschutzziele

Veröffentlicht am 30th Jun 2021

Die Europäische Union hat sich Ende April auf ein neues Klimaziel geeinigt. Die Treibhausgasemissionen sollen - im Vergleich zum Jahr 1990 - bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gemindert werden und nicht wie bisher vorgesehen lediglich um 40 Prozent. Dieses Ziel und das Versprechen, bis 2050 klimaneutral zu werden, hat das EU-Parlament mit dem EU-Klimagesetz am 24. Juni 2021 und der Rat der Europäischen Union am 28. Juni 2021 gebilligt. Damit werden diese Ziele mit Inkrafttreten des EU-Klimagesetzes verbindlich. In den kommenden Monaten sollen auf europäischer Ebene im Rahmen des EU Green Deal konkrete rechtliche Vorgaben zum Klimaschutz erarbeitet werden. Am 14. Juli 2021 erfolgt die Veröffentlichung zahlreicher Legislativvorschläge der EU-Kommission.

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht mit dem sogenannten „Klima-Beschluss“ vom 24. März 2021 das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) für in Teilen verfassungswidrig erklärt. Am 24. Juni 2021 wurde die Novelle des KSG (KSG 2021) vom Bundestag verabschiedet. Dieser Beitrag fasst den aktuellen Stand der Änderung des KSG und die Diskussion rund um den Klimaschutz kurz zusammen:

1. Das Klimaschutzgesetz vor der Novelle

Das KSG trat Ende 2019 in Kraft. Das KSG legte bislang fest, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gemindert werden sollen. Aktuell wurde eine Einsparung von ca. 40 Prozent gegenüber 1990 erreicht. Mit dem KSG sollte das langfristige Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 verfolgt werden. Dazu schreibt das KSG u. a. für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude und Verkehr vor, wie viele Treibhausgasemissionen jährlich ausgestoßen werden dürfen. Das KSG selbst enthält jedoch keine Vorgaben zu konkreten Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele.

Der Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts knüpft an Art. 20a des Grundgesetzes an. Danach schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen. Dieser Schutzauftrag schließt laut Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat daher beschlossen, dass das KSG (konkret § 3 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Anlage 2 zum KSG) insoweit mit den Grundrechten unvereinbar ist, soweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 fehlt.

2. Änderungen der Klimaschutzbestimmungen durch die Novelle des Klimaschutzgesetzes

Kurz nach der Verkündung des Klima-Beschlusses durch das Bundesverfassungsgericht wurde mit der Erarbeitung der Novelle des KSG begonnen und neue Zielvorgaben diskutiert. Am 12. Mai 2021 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des KSG und einen weiteren „Klimapakt Deutschland“ beschlossen. Mit diesem Beschluss sollten auch die strengeren europäischen Vorgaben antizipiert werden.

Die Klimaschutznovelle wurde vom Bundestag am 24. Juni 2021 beschlossen und hat am 25. Juni den Bundesrat passiert. Nach Verkündung im Bundesgesetzblatt wird sie in Kraft treten.

2.1 Die wichtigsten Änderungen im KSG 2021

KSG 2019 (vorheriger Stand) Änderungen des KSG 2021
Deutschland hat sich zur Verfolgung der Treibhausgasneutralität bis 2050 als „langfristiges Ziel“ bekannt (§ 1 KSG). Bis spätestens 2045 soll die Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden; nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht werden (§ 3 Abs. 2 KSG 2021).
Bis 2030 ist eine schrittweise Minderung der Emissionen im Vergleich zu 1990 um min. 55 Prozent vorgesehen (§ 3 KSG). Bis 2030 ist eine schrittweise Minderung um min. 65 Prozent, und bis 2040 um min. 88 Prozent vorgesehen – jeweils im Vergleich zum Jahr 1990 (§ 3 Abs. 1 KSG 2021).
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, werden jährliche Minderungsziele für die jeweiligen Sektoren (Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges) bis zum Jahr 2030 festgelegt (§ 4 i. V. m. Anlage 2 des KSG).

Die zulässigen Jahresemissionsmengen bis 2030 für die einzelnen Sektoren werden verschärft (Anlage 2 zum KSG 2021). Das betrifft vor allem die Energiewirtschaft. Für diesen Sektor ist eine zusätzliche Emissionsminderung von 38 Prozent vorgesehen. Statt der bisher für 2030 vorgesehenen Jahresemissionsmenge von 175 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent sollen es nunmehr 108 Mio. Tonnen sein.).

Für die Jahre 2031-2040 werden sektorübergreifende Minderungsziele angegeben (Anlage 3 KSG 2021). Spätestens 2032 werden die Minderungsziele für die Jahre 2041-2045 festgelegt.

Anders als ein Vorentwurf der KSG-Novelle sieht der letztlich im KSG 2021 umgesetzte Entwurf keine konkreten, indikativen Minderungsziele für die einzelnen Sektoren für die Jahre 2035 und 2040 vor. Nach dem KSG 2021 soll erst im Jahr 2024 entschieden werden, wie die Minderungsziele auf die jeweiligen Sektoren für die Jahre 2031 bis 2040 zu verteilen sind. Eine Entscheidung für die Jahre 2041 bis 2045 soll hierfür erst 2034 erfolgen.

Da die ersten konkreten Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen des EU Green Deals erst im Juli 2021 veröffentlicht werden, findet eine Evaluierung des KSG 2021 im Jahr 2022 statt, um auch die europäischen Vorgaben aufzunehmen.

2.2 Klimaschutz-Sofortprogramm 2022

Die Bundesregierung hat am 23. Juni 2021 mit einem Sofortprogramm 2022 weitere Weichenstellungen für das Erreichen der neuen Ziele vorgenommen. Das Sofortprogramm 2022 stellt acht Milliarden Euro zu Verfügung, wovon über die Hälfte dem Gebäudesektor zukommen soll. Die Maßnahmen umfassen unter anderem:

  • eine Sanierungsoffensive durch zusätzliche Förderungen energetischer Sanierungen von Wohngebäuden und des klimafreundlichen Neubaus oder der Sanierungen von Sozialwohnungen. Dagegen sollen Heizungen, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, ab 2023 nicht mehr gefördert werden;
  • ein Investitionspaket für zusätzliche Investitionen zur klimafreundlichen Produktion (Ausstieg aus der Kohleenergie, Umstieg auf grünen Wasserstoff). Hinzu kommt die Erweiterung der Klimaschutzverträge nach dem Prinzip der Carbon Contracts for Difference (damit werden die höheren Betriebskosten treibhausgasarmer und -freier Verfahren abgefedert);
  • Investitionen in die Entwicklung und den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft und -infrastruktur sowie in den Ausbau effizienter Wärmenetze;
  • Investitionen in die klimafreundliche Mobilität (z.B. Ausbau des Radwegenetzes, Verlagerung von Schwerlasttransporten aufs Wasser, Modernisierung und Digitalisierung des Bahnbetriebs und Bau neuer Schnellladestationen in Quartieren). Die Initiative zu einer klimafreundlicheren Mobilität durch eine KFZ-Steuer, die nach CO2-Emissionen differenziert, soll fortentwickelt werden;
  • Ankündigungen einer Reform der Abgaben, Umlagen und Steuern im Energiesystem, die auch die Reduktion der EEG-Umlage umfasst;
  • die angekündigte Prüfung des Abbaus klimaschädlicher Subventionen.

Mehrere zunächst geplante Maßnahmen wurden letztlich nicht im verabschiedeten Sofortprogramm 2022 aufgenommen:

  • Im Gebäudesektor bleibt zunächst die stärkere Einbindung der erneuerbaren Energien aus. Eine Pflicht zur Installationen von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen für Neubauten soll es nicht geben. Der Energiestandard für Neubauten wird zunächst nicht angehoben, wie zwischenzeitlich vorgesehen. Eine umfassende Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ist jedoch für Anfang 2022 geplant.
  • Es wurde angedacht, dass die Belastung aus dem nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (d.h. der sogenannte CO2-Preis) zur Hälfte von den Vermietern und nicht mehr allein von den Mietern getragen werden sollte, um die Wirkung des CO2-Preises zu verbessern, da Vermieter über energetische Sanierungen und die Art der Heizung entscheiden. Letztlich hat sich diese Idee nicht durchgesetzt.

3. Kernthemen der aktuellen Diskussion

Konkrete Maßnahmen zur Erreichung der gesetzten Ziele wurden im Rahmen des Sofortprogramms 2022 bislang nicht beschlossen.

Die ambitionierten Minderungsziele gerade für die Energiewirtschaft bedürfen eines beschleunigten Zubaus erneuerbarer Energien. Dazu fordert die Windbranche einen besseren Zugang zu Flächen, schnellere Genehmigungen und eine stärkere politische Unterstützung. Auch mit Blick auf den Zubau von Photovoltaikanlagen wird Nachbesserungsbedarf gesehen und eine Erhöhung der Ausbauziele im EEG 2021 gefordert, um die Ausbaugeschwindigkeit zu erhöhen. Im beschlossenen Sofortprogramm 2022 wird die Anpassung der Ausbaupfade für erneuerbare Energien in der nächsten Legislaturperiode angekündigt, um die bis dahin erlassenen europäischen Beschlüsse umzusetzen.

Ein schnellerer Kohleausstieg wird ebenfalls diskutiert. Ggf. beschleunigt sich dieser Ausstieg bereits durch den Anstieg der CO2-Preise im europäischen Emissionshandel. Das Sofortprogramm 2022 enthält jedenfalls keine Regelungen zu einem vorgezogenen Kohleausstieg.

Auch eine erhebliche Erhöhung der nationalen CO2-Preise wird gefordert, über die bereits gesetzlich vorgesehenen Erhöhungen hinaus. Das Sofortprogramm 2022 bleibt hierzu vage und erwähnt nur, dass bei einer Anhebung des nationalen CO2-Preises eine zusätzliche soziale Abfederung und ein wirksamer Carbon Leakage-Schutz erforderlich wären. Die Bundesregierung werde sich bei der Novelle des europäischen Emissionshandelssystems für einen moderaten Mindestpreis und die Ausweitung der europäischen CO2-Bepreisung auf die Sektoren Wärme und Verkehr einsetzen.

Fest steht jedenfalls eins: Angesichts des Klimawandels und der Bedeutung des Klimaschutzes wird der Klimaschutz eines der zentralen Themen des Bundestagswahlkampfes sein.

4. Was ist konkret zu tun?

Aus dem Klimaschutzgesetz selbst ergeben sich keine konkreten Pflichten für die einzelnen Marktteilnehmer. Derartige Pflichten und Handlungsbedarf ergeben sich aus anderen Rechtsvorschriften. Insofern sollten die Marktteilnehmer sich über den sich verändernden regulatorischen Rahmen informieren und zumindest perspektivisch mögliche Umsetzungsmaßnahmen für den Klimaschutz planen.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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