Der Arbeitgeber muss den Urlaubsanspruch von sich aus erfüllen

Veröffentlicht am 11th Sep 2014

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nun entschieden, dass der Arbeitgeber von sich aus den Urlaubsanspruch seiner Arbeitnehmer erfüllen muss (Urt. v. 12. Juni 2014 – 21 Sa 221/14). Es sei nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer vorher erfolglos den Urlaub beantragt habe. Für nicht genommenen Urlaub, rückwirkend bis zur Verjährungsgrenze, kann Schadensersatz verlangt werden.

Der Sachverhalt

Der Kläger war als Koch für die Beklagte tätig. Nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2013 machte er unter anderem die Abgeltung seines Urlaubsanspruches für das Jahr 2012 geltend. Urlaub hatte er zuvor allerdings nicht beantragt. Daher war er ihm vom Arbeitgeber auch nicht gewährt worden und wurde von diesem seit dem 1. April 2013 als „verfallen“ angesehen. Die Vorinstanz hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Das LAG Berlin-Brandenburg verurteilte nun den Arbeitgeber den Urlaub als „Schadensersatz“ abzugelten. Zwar sei der Urlaubsanspruch als solcher mit dem 31. März 2013 verfallen, so dass keine Urlaubsabgeltung in Betracht komme. Das LAG begründete die Schadensersatzpflicht damit, dass der Arbeitgeber seine Pflicht zur Urlaubsgewährung schuldhaft verletzt habe. Der Arbeitgeber habe den Urlaubsanspruch von sich aus zu erfüllen, genauso wie den Anspruch auf Ruhepausen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz. Diese Pflicht bestehe unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer den Urlaub rechtzeitig beantragt habe und so den Arbeitgeber in Verzug gesetzt habe. Wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht nachkomme und der Urlaubsanspruch daher verfalle, habe er Schadensersatz zu leisten. In einem bestehenden Arbeitsverhältnis führt das zu der Verpflichtung im Wege der Naturalrestitution den Urlaub zu gewähren und bei Beendigung den Urlaub abzugelten.

Damit widerspricht das LAG der Rechtsprechung des BAG. Laut diesem ist der Arbeitgeber grundsätzlich zwar berechtigt aber nicht verpflichtet den Urlaub von sich aus zu gewähren (Urt. v. 11. April 2006 – 9 AZR 523/05). Eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers liege erst dann vor, wenn er sich in Verzug befinde (Urt. v. 15. September 2011 – 8 AZR 846/09). Für einen Schadensersatzanspruch in Form der Gewährung von Ersatzurlaub sei daher erforderlich, dass der Arbeitnehmer den Urlaub verlangt, der Arbeitgeber ihn aber nicht gewährt hatte. Erst wenn der Anspruch aufgrund dessen verfalle, sei der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch unterliege auch nicht der Befristung bis zum Jahresende oder spätestens zum 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 BUrlG), sondern der Regelverjährung von 3 Jahren. Hat der Arbeitnehmer nicht um Urlaubsgewährung gebeten, sei der Arbeitgeber nicht von sich aus verpflichtet Urlaub zu gewähren.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Revision zugelassen.

Hinweise für die Praxis

Bis zur Klärung durch das BAG sollten Arbeitgeber Vorsorge treffen:

Denn sofern auch das BAG seine Rechtsprechung ändert, besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer ihre bisher verfallenen Urlaubsansprüche bis zur Verjährungsgrenze doch noch geltend machen. Dann wären Arbeitgeber unter Umständen dazu verpflichtet den noch ausstehenden Urlaub der letzten drei Jahre zu gewähren oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – als „Schadensersatz“ – abzugelten.

Um das Entstehen solch künftiger Ansprüche zu verhindern, sollten Arbeitgeber daraufhin wirken, dass ihre Mitarbeiter den ihnen zustehenden Urlaub auch tatsächlich nehmen. Arbeitgeber haben auch die Möglichkeit den Urlaub einseitig festzulegen. Die Festlegung ist rechtswirksam, wenn der Mitarbeiter auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Wunsch äußert. Spätere Erklärungen müssen also im Nachhinein noch berücksichtigt werden. Für die Praxis hilfreich ist es, die Festsetzung vorab „anzudrohen“ um Präferenzen zu erfahren. Wenn Mitarbeiter nur den gesetzlichen Mindesturlaub nehmen und den vertraglichen Zusatzurlaub tatsächlich verfallen lassen wollen, sollte dies schriftlich vereinbart werden.

Bevor Arbeitgeber allerdings bereits verfallenen Urlaub von sich aus gewähren oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelten, sollte die BAG-Entscheidung abgewartet werden. Macht der Arbeitnehmer bereits verfallenen Urlaub geltend, kann dieser noch auf Grundlage der bisherigen BAG-Rechtsprechung abgelehnt werden und – wie immer – sollte eine einvernehmliche Regelung bezüglich des über den gesetzlichen Mindesturlaub gewährten Urlaubs durch Vertrag angestrebt werden.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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