Arbeitsrecht

Das Sabbatical – Chancen und rechtliche Rahmenbedingungen einer Auszeit von der Arbeit

Veröffentlicht am 18th Sep 2024

Close up of a person walking and holding a suitcase

In einer Arbeitswelt, die sich unter dem Gesichtspunkt von „New Work“ dynamisch weiterentwickelt, stoßen Sabbaticals – also längere, gegebenenfalls bezahlte Auszeiten von der Arbeit – auf zunehmendes Interesse bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für Arbeitgeber bieten sie eine Chance, sich als attraktiv zu positionieren und die Mitarbeiterbindung sowie -motivation zu stärken. Das Angebot von Sabbaticals kann daher eine wert­volle personal­politische Maßnahme sein, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig an das Unter­nehmen zu binden.

Beabsichtigen Arbeitgeber, ihren Mitarbeitenden eine Auszeit zu gewähren, ist es unerlässlich, im Vorfeld sorgfältig zu prüfen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil diverse Optionen zur Gestaltung von Sabbaticals existieren, die insbesondere für den Fortbestand der Sozialversicherungspflicht der Mitarbeiter unterschied­liche Konsequenzen haben.

Haben Beschäftigte einen Anspruch auf ein Sabbatical?

Während ein ausdrücklich auf die Inanspruchnahme ­eines Sabbaticals bezogener gesetzlicher Anspruch im privat­wirtschaftlichen Sektor nicht besteht, wird ein solcher Anspruch zum Teil aus der Regelung zur „Brückenteilzeit“ in § 9a Abs. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) abgeleitet.

Demnach kann der Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen eine vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit verlangen. In diesem Zuge können Mitarbeitende auch Wünsche zur Verteilung der Arbeitszeit während der Brückenteilzeit äußern und soll insbesondere eine Kombination aus Arbeits- und Freistellungsphase verlangen können. Sowohl der Reduzierung als auch dem Verteilungswusch muss jedoch nur nachgekommen werden, soweit keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Voraussetzung für den Anspruch ist zudem, dass der Zeitraum der Arbeitszeitverringerung mindestens ein Jahr betragen muss und dass der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt. Dem Anspruch können daher nicht nur betriebliche Belange des Arbeitgebers entgegenstehen, sondern ins­besondere in kleineren Unternehmen oder für kürzere Sabbaticals ist eine gesonderte Regelung notwendig, aus der Beschäftigte einen Anspruch auf ein Sabbatical ableiten können. Andernfalls sind sie darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber einer individuellen Vereinbarung zustimmt.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es und wie wirken sich diese auf das Arbeitsverhältnis aus?

Für die Umsetzung eines Sabbaticals gibt es verschiedene Wege, die jeweils mit unterschiedlichen Konsequenzen im Hinblick auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der Sozialversicherungspflicht verbunden sind.

Zunächst ist es möglich, das Arbeitsverhältnis mit ­Beginn des Sabbaticals zu beenden und zugleich eine Wiedereinstellung nach Ende des Sabbaticals zuzusagen. Die Konsequenz wäre, dass das Arbeitsverhältnis mit allen Haupt- und Nebenleistungspflichten aufgehoben werden würde und sich der Mitarbeitende während der Zeit des Sabbaticals selbst um seinen Sozialversicherungsschutz kümmern müsste. Aufgrund der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und des damit einhergehenden Verlusts der Bindung ist diese Umsetzungsform eher ungeeignet, wenn das Sabbatical dazu dienen soll, die Mitarbeiterbindung zu stärken.

Alternativ ist möglich, eine Ruhensvereinbarung für den Zeitraum des Sabbaticals abzuschließen, infolge derer die Hauptleistungspflichten ruhen, die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis aber aufrechterhalten bleiben. Vorteil wäre hier gegenüber der ersten Variante, dass dadurch beispielsweise ein vertragliches Wettbewerbsverbot während der Ruhenszeit aufrechterhalten bleibt. Allerdings besteht auch hier kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis fort, wenn das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat ruht.

Wird gewünscht, das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis aufrechtzuerhalten, kann dies erreicht werden, indem eine Anspar- und Freistellungsphase zum Beispiel im Rahmen eines befristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses vereinbart werden. Im Rahmen dieses Modells wird während der Ansparphase ein Wertguthaben aufgebaut, das während der Freistellungsphase ausgezahlt wird. Dieses Modell hat den Vorteil, dass der Fortbestand des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch während einer länger als einen Monat andauernden Freistellungszeit fingiert wird, sofern im Rahmen der Vereinbarung die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei Vereinbarung einer „Anspar- und Freistellungsphase“ zu beachten?

Für die Fiktion des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sieht § 7 Abs. 1a 1 SGB IV vor, dass während der Freistellung Wertguthaben aus einer Wertguthabenvereinbarung fällig ist und das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen worden ist.

Damit die Vereinbarung als „Wertguthabenvereinbarung“ eingestuft wird, sind die Vorgaben von § 7b SGB IV zu beachten. Hierzu ist es unter anderem notwendig, dass es sich um eine schriftliche Vereinbarung zum Aufbau von Wertguthaben handelt, die nicht das Ziel der flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit hat. Des Weiteren muss das Arbeitsentgelt in das Wertguthaben eingebracht werden, um es für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung zu entnehmen, und das aus dem Wertguthaben fällige Arbeitsentgelt muss mit einer vor oder nach der Freistellung von der Arbeitsleistung erbrachten Arbeitsleistung erzielt werden.
Im Hinblick auf die Höhe des Arbeitsentgelts gilt, dass das während der Freistellung fällige Arbeitsentgelt insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen muss, es sei denn, die Beschäftigung ist vor Freistellung bereits als geringfügige Beschäftigung ausgeübt worden. Außerdem darf das Arbeitsentgelt in der Freistellungsphase nicht unangemessen niedrig sein. Dies ist wiederum der Fall, wenn es sich auf mindestens 70% des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der vorausgegangen zwölf Kalendermonate beläuft.

Zuletzt muss eine Absicherung des Wertguthabens gegen Insolvenz erfolgen, zum Beispiel durch die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und einem Dritten, und der Arbeitgeber hat den Mitarbeitenden unverzüglich über die zum Insolvenzschutz getroffenen Vorkehrungen zu informieren. Beachten die Parteien diese Vorgaben bei Abschluss der Sabbatical-Vereinbarung, wird das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis auch während der Freistellungsphase aufrechterhalten.

Was sollte noch in einer Sabbatical-Vereinbarung geregelt werden?

Unabhängig davon, für welches Sabbatical-Modell man sich entscheidet, sollte stets darauf geachtet werden, nicht nur die Freistellung zu regeln, sondern auch Regelungen im Hinblick auf die Rückkehr zu treffen. Zudem sollten auch Eventualitäten, die während der Laufzeit der Sabbatical-Vereinbarung auftreten können, bedacht werden. So sollten unter anderem Regelungen getroffen werden, wie eine Erkrankung gehandhabt wird und ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch des Sabbaticals möglich ist. Darüber hinaus ist es auch empfehlenswert, exakte Regelungen im Hinblick auf den übergesetzlichen Urlaub, etwaige Zusatzvergütungen und Gratifikationen, eine betriebliche Altersvorsorge und etwaige Sachbezüge, wie einen Dienstwagen, zu treffen.

Muss der Betriebsrat beteiligt werden?

Sollen nicht nur vereinzelt auf Wunsch der Mitarbeitenden Sabbatical-Vereinbarungen abgeschlossen werden, sondern möchte der Arbeitgeber sämtlichen Beschäftigten ein Sabbatical anbieten, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten (vgl. insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und 5 Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG). In diesem Fall empfiehlt es sich, eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abzuschließen, in der die Rahmenbedingungen eines Sabbaticals geregelt sind und die festhält, unter welchen Voraussetzungen ein ­Sabbatical gewährt wird.

Fazit

Ein Sabbatical-Angebot dient dazu, die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen, und kann dem Arbeitgeber zugleich helfen, talentierte Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Darüber hinaus können Arbeitgeber bei entsprechender Planung sogar durch Sabbaticals entlastet werden, wenn sie Mitarbeitende in Zeiten mangelnder Aufträge frei­stellen und so die Kosten senken, zugleich aber die ­Beschäftigten halten können.

Entscheidend ist jedoch, dass das Ermöglichen einer Auszeit im Rahmen eines Sabbaticals im Vorfeld gründlich vorbereitet wird und sowohl die Umsetzungsart als auch die in der Vereinbarung zu regelnden Gegenstände exakt geprüft werden.

Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf der Webseite Deutscher AnwaltSpiegel.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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