Handel und Konsumgüter

Das „Recht auf Reparatur“: Mögliche Auswirkungen der EU-Richtlinie (EU) 2024/1799 auf gewerbliche Schutzrechte

Veröffentlicht am 31st Jul 2024

Mit ihrer neuen Richtlinie (EU) 2024/1799 über das „Recht auf Reparatur“ möchte die EU Reparaturen von Waren erleichtern, um so Abfall zu reduzieren. Diese Reparaturen sollen auch unabhängige Reparaturbetriebe durchführen können und dabei können auch wiederaufbereitete Produkte zum Einsatz kommen. Das wirft jedoch rechtliche Folgefragen auf. Insbesondere hinsichtlich existierender gewerblicher Schutzrechte kann ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der Richtlinie und dem bestehenden IP-Schutz entstehen. Dies bringt potenzielle rechtliche Herausforderungen für Reparaturbetriebe und Wiederaufbereiter mit sich. Hierauf gibt der europäische Gesetzgeber jedoch noch keine Antworten.

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Die Reparatur-RL im Überblick

Am 10. Juli 2024 ist die neue Europäische Richtlinie (EU) 2024/1799 über das „Recht auf Reparatur“ im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden (im Folgenden „Reparatur-RL“). Sie verfolgt das Ziel, den Verbrauchern leichteren, schnelleren und transparenteren Zugang zu Reparaturen von Waren zu gewährleisten. Zusammengefasst ließe sich das Ziel mit „Reparatur statt Neuanschaffung“ beschreiben. Dies entspricht dem langfristigen Plan der EU, die Zukunft Europas im Rahmen des „Green-Deal“-Projektes nachhaltiger zu gestalten und etwaige Abfallaufkommen zu verringern. 

Was beinhaltet die Reparatur-RL?

Freie Wahl des Reparaturdienstleisters: Die neue Reparatur-RL verpflichtet den Hersteller beispielsweise in Art. 5 zu umfänglichen Reparaturleistungen auf Verlangen eines Verbrauchers. Nicht nur der (Original-)Hersteller soll bzw. darf jedoch Reparaturdienstleistungen vornehmen. Art. 5 Abs. 8 stellt dabei klar, dass sich Verbraucher unbeschadet der Reparaturverpflichtung des Herstellers auch an „jeden Reparaturbetrieb ihrer Wahl wenden“ können. Die Reparatur-RL möchte gerade den Wettbewerb zwischen Reparaturbetrieben fördern. 

Einsatz wiederaufbereiteter Waren: Bei Reparaturen sollen auch „überholte Waren“ zum Einsatz kommen. Dieser Begriff wird in der Reparatur-RL zwar nicht definiert, gemeinhin versteht man darunter jedoch wiederaufbereitete bzw. „generalüberholte“ gebrauchte Waren (auch als „refurbished“ bezeichnet). Solche überholten Waren könnten nach der Reparatur-RL auch als Ersatzware in Form einer Leihgabe während der Dauer der Reparatur bereitgestellt werden oder (auf Wunsch des Verbrauchers) auch die Ersatzlieferung selbst darstellen (siehe unter Art.  16 Nr. 4 c) sowie Erwägungsgrund 42). 

Online-Plattform als Informationsquelle: Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Reparatur-RL soll zudem eine Europäische Online-Plattform als Informationsquelle geschaffen werden, um „Reparaturbetriebe sowie gegebenenfalls Verkäufer überholter Waren, Käufer fehlerhafter Waren zur Überholung oder von der lokalen Gemeinschaft getragene Reparaturinitiativen zu finden.“. Unter Letztere sollen gemäß Erwägungsgrund 31 z.B. sogenannte Reparaturcafés fallen. 

Welche Produkte erfasst die Reparatur-RL?

Der Anwendungsbereich der Reparatur-RL ist zwar begrenzt. So sollen vor allem sog. „weiße Waren“ für den Haushalt erfasst sein (z.B. Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Staubsauger, Kühlgeräte), aber auch weit verbreitete Elektronikware ist erfasst (Elektronische Displays, Server und Datenspeicherprodukte, Mobiltelefone, Waren, die Batterien für leichte Verkehrsmittel enthalten). Auch Schweißgeräte sind umfasst. All dies sind jedoch durchaus Produkte, deren Komponenten rechtlich geschützt sein können (z.B. durch Patente).

Problemeinordnung: Spannungsverhältnis mit IP-Rechten

Obwohl das neue Konzept der EU vor allem aus Nachhaltigkeitsaspekten sehr zu begrüßen ist, ergeben sich daher insbesondere in Hinblick auf die Reparatur durch Dritte rechtliche Folgefragen. Eine davon ist, wie sich das „Recht auf Reparatur“ auf bestehende gewerbliche Schutzrechte auswirken kann. Zwar handelt der Verbraucher, der sich an externe Reparaturbetriebe wendet, nicht gewerblich. Anders sieht das jedoch bei den Reparaturbetrieben selbst oder bei solchen Unternehmen aus, die Waren wiederaufbereiten („überholte Ware“ im Sinne der Reparatur-RL). Diese Unternehmen handeln gewerblich und können daher potenzielle Schutzrechtsverletzungen begehen. Es besteht demnach ein mögliches Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der Reparatur-RL auf der einen Seite, Reparaturen (durch externe, nicht vom Hersteller bzw. Schutzrechtsinhaber lizenzierte Reparaturbetriebe und/oder unter Einsatz von „Refurbished“-Waren) anstelle von Neuanschaffungen zu fördern, sowie den Schutzrechten Dritter bzgl. der zu reparierenden Waren oder (zu reparierenden) Komponenten darin auf der anderen Seite.

Der vorliegende Beitrag erhebt keinen Anspruch auf eine vollständige rechtliche Analyse. Dafür ist es aufgrund des Datums der Reparatur-RL, der noch fehlenden Umsetzung in nationales Recht sowie mangelnder konkreter Rechtsprechung zu früh. Der Beitrag möchte jedoch für das zuvor skizzierte Spannungsverhältnis sensibilisieren. Dabei wird sich insbesondere auf mögliche patentrechtliche Konsequenzen fokussiert. Die generelle Problemstellung ist jedoch verallgemeinerungsfähig und lässt sich auch auf andere Schutzrechte übertragen, z.B. Marken- und Designrechte (für einen generellen Überblick zum Remanufacturing im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten siehe hier sowie speziell zu Patenten hier).

Der Erschöpfungsgrundsatz als Ausgangspunkt zur Bewertung der Reparatur

Grundlegend für die Zulässigkeit von Reparaturen im Hinblick auf den Immaterialgüterschutz ist der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz, der unter anderem auch im Patentrecht gilt. Wird ein geschütztes Produkt vom Patentinhaber selbst oder von einem Dritten mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht, enden auch die jeweiligen Ausschließlichkeitsrechte an diesem konkreten Gegenstand (sog. Erschöpfung). In diesem Fall kann die Allgemeinheit den Gegenstand bestimmungsgemäß gebrauchen. Allerdings ist der bestimmungsgemäße Gebrauch von der unzulässigen Neuherstellung zu unterscheiden, die nicht von der Erschöpfung umfasst ist und dem Patentinhaber vorbehalten bleibt.

Maßnahmen der Inbetriebnahme, Instandhaltung und Reparatur des Gegenstands fallen zwar grundsätzlich unter den bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Sache, weshalb „einfache Reparaturen“ in Umsetzung der Reparatur-RL in der Regel kein Problem darstellen sollten. Die Abgrenzung zu einer verletzenden Neuherstellung des patentgeschützten Gegenstandes kann jedoch im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. 

Der BGH stellt in diesem Zusammenhang jedenfalls seit der Entscheidung Flügelradzähler (BGH, Urt. v. 4. Mai 2004 - X ZR 48/03) darauf ab, ob durch die Reparatur noch die „Identität des bereits in Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses“ gewahrt oder ob ein neues erfindungsgemäßes Erzeugnis geschaffen wird. Die Handlung kommt nach dem BGH dann einer Neuherstellung gleich, wenn sich die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in dem ausgetauschten Teil widerspiegeln, weil dann der technische oder wirtschaftliche Vorteil der Erfindung erneut verwirklicht wird. Diese Abgrenzungsfrage ist hochgradig wertungsabhängig und meist immer von dem jeweiligen Einzelfall abhängig. Sollte diese Einzelfallbewertung aber zugunsten der patentrechtlichen Neuherstellung ausfallen, riskiert der Reparaturbetrieb oder das wiederaufbereitende Unternehmen für „Refurbished“-Waren wegen Patentverletzung abgemahnt und ggf. verklagt zu werden.

Auswirkungen der Reparatur-RL auf Rechte des geistigen Eigentums

Diese bisherige Rechtslage steht somit in einem Spannungsverhältnis zum Zweck der Reparatur-RL und könnte einer von der EU gewollten Erweiterung des Reparaturmarktes erhebliche rechtliche Grenzen setzen. Auf der einen Seite soll die Reparatur (ggf. mit überholter Ware) oder die Ersatzlieferung mit überholter Ware im Binnenmarkt gefördert werden, auf der anderen Seite könnten Patentinhaber in geeigneten Fällen genau dies unterbinden. Dadurch könnte de facto auch eine Monopolstellung der Patentinhaber für Reparaturen und Wiederaufbereitungen entstehen, da das Risiko einer Patentverletzung für zu groß empfunden wird. Die erhoffte Vergrößerung des Wettbewerbs für Reparaturdienstleistungen könnte dadurch ausbleiben oder jedenfalls geschmälert werden.

Zukünftig wird sich die Frage stellen, wie ein Zusammenspiel von gewerblichen Schutzrechten und der Reparatur-RL möglich sein wird und welche konkreten Auswirkungen die Reparatur-RL auf die vorherrschende Rechtsprechung haben wird. Der europäische Gesetzgeber hat hierauf bisher keine konkrete Antwort. In der Reparatur-RL werden Rechte des geistigen Eigentums zwar erwähnt, eingehendere Ausführungen dazu, insbesondere zu dem oben genannten Spannungsverhältnis, bleiben jedoch aus. Es spricht sogar viel dafür, dass dies ganz bewusst dem nationalen Gesetzgeber und der nationalen Rechtsprechung vorbehalten bleiben soll. In Art. 5 Abs. 6 der Reparatur-RL heißt es zum Beispiel:

Die Hersteller verwenden keine Vertragsklauseln und setzen keine Hardware- oder Softwaretechniken ein, die die Reparatur von Waren, die unter die in Anhang II aufgeführten Rechtsakte der Union fallen, behindern, es sei denn, dies ist durch legitime und objektive Faktoren wie den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums nach Unionsrecht und nationalem Recht gerechtfertigt. Die Hersteller behindern insbesondere die Verwendung von Originalersatzteilen, gebrauchten Ersatzteilen, kompatiblen Ersatzteilen oder Ersatzteilen, die mittels 3D-Druck hergestellt wurden, durch unabhängige Reparaturbetriebe nicht, wenn diese Ersatzteile den Anforderungen des Unionsrechts bzw. des nationalen Rechts, beispielsweise den Anforderungen an die Produktsicherheit oder in Bezug auf das geistige Eigentum, entsprechen. Dieser Absatz gilt unbeschadet der besonderen Anforderungen der in Anhang II aufgeführten Rechtsakte der Union und unbeschadet des Unionsrechts und des nationalen Rechts zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums.

 

Weiter heißt es in Erwägungsgrund 18 der Reparatur-RL:

[…] es sei denn, diese sind durch legitime und objektive Faktoren wie die Verhütung und Einschränkung der unbefugten Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegen-ständen, die durch Rechte des geistigen Eigentums im Rahmen von Rechtsakten der Union und der Mitgliedstaaten, insbesondere den Richtlinien 2001/29/EG (12), 2004/48/EG (13) und (EU) 2019/790 (14) des Europäischen Parlaments und des Rates, geschützt sind, gerechtfertigt.

 

Diese Auszüge legen nahe, dass der europäische Gesetzgeber nachhaltige Reparaturen zwar zu einem günstigen Preis voranbringen möchte, die konkreten Auswirkungen und Wechselwirkungen in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte jedoch unberücksichtigt lässt und dies vielmehr den Mitgliedstaaten überlassen möchte.

Fazit und mögliche Optionen zur Handhabung auf nationaler Ebene

Insgesamt treffen in der Reparatur-RL somit unterschiedliche Interessen aufeinander: (i) die Interessen von Dienstleister, zukünftig Reparaturen oder Wiederaufbereitungen ohne erhebliche Einschränkungen anzubieten, (ii) das Interesse der EU und der Verbraucher an einem weitreichenden Reparaturmarkt und (iii) das Interesse des Schutzrechtsinhabers am möglichst weitreichenden Schutz seiner schöpferischen Leistung. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der deutsche Gesetzgeber dieses Wechselspiel in der Umsetzung der Richtlinie auflösen wird.

Patentschutz entfällt bei umweltrelevanten Produkten: Grundsätzlich erscheint es möglich, dass der Patentschutz für bestimmte, besonders umweltrelevante und einmal mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebrachte Produkte entfällt oder von einer grundsätzlichen Zustimmung des Patentinhabers zur Reparatur (oder um patentrechtlich genau zu sein: zur Neuherstellung) auszugehen ist. Ob der Gesetzgeber diesen Weg gehen wird, ist jedoch durchaus fraglich. 

Interessenabwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung der RL: Zudem ist es vorstellbar, dass die nationale Rechtsprechung bei der vorzunehmen-den Interessenabwägungen im Rahmen der Bewertung einer patentrechtlichen Neuherstellung in Zukunft auch Gesichtspunkte und Erwägungen der Reparatur-RL miteinbeziehen wird und das Spannungsverhältnis eher zugunsten der freien Reparatur entscheidet. Letzteres würde jedoch nicht zur Lösung des ursprünglichen Konfliktes beitragen, sondern ihn nur auf die Ebene eines gerichtlichen Rechtsstreits verlagern. 

Alles bleibt beim Alten: Zu guter Letzt bleibt es natürlich auch möglich, dass alles so bleibt wie es ist und Patente im Einzelfall nach wie vor Vorrang vor den Zielen der EU im Rahmen des „Green-Deals“ genießen. Ob dies dann eine zukünftige Stärkung des Reparaturmonopols der Patentinhaber bedeutet, weil die Reparatur von Waren nach wie vor gefördert werden soll, bleibt abzuwarten. In diesem Fall wäre das „Recht auf Reparatur“ dann eher ein „Recht auf patentfreie Reparatur“.


 

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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