Gewerblicher Rechtsschutz / IP

„Commercially Reasonable Efforts“ in der Vertragspraxis: Was gilt es zu beachten?

Veröffentlicht am 11th Okt 2024

Das Abfassen von u.a. Kauf- und Lizenzverträgen in englischer Sprache ist seit Jahrzehnten auch für europäische Unternehmen aus dem nicht-englischsprachigen Raum absoluter Standard. Dies gilt nicht zuletzt auch und insbesondere für international agierende Pharmaunternehmen. Dies führt typischerweise zu einer Übernahme von klassischen Vertragsklauseln des anglo-amerikanischen Rechts, ohne dass per se ein Bewusstsein dafür bestünde, welche Rechtsfolgen sich aus der Verwendung dieser Klauseln konkret ergeben. Ein prominentes Beispiel hierfür sind etwa Klauseln, die sog. „commercially reasonable efforts“ (wirtschaftlich angemessene Bemühungen) von einem Lizenznehmer z.B. bei der Entwicklung eines pharmazeutischen Wirkstoffs/Produktes verlangen.

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Doch welche Bemühungen sind tatsächlich „commercially reasonable“? Was für den einen angemessen erscheinen mag, mag für den anderen unzureichend sein. Dies zeigte sich jüngst in einem vor dem Delaware Court of Chancery entschiedenen Fall in den USA. Die dabei ergangene Entscheidung bietet einen lehrreichen Einblick in die Auslegung des Begriffs der „commercially reasonable efforts“ und gibt Aufschluss darüber, worauf Parteien bei der Aufnahme entsprechender Klauseln achten sollten, um ihre Interessen bestmöglich zu wahren.

Hintergrund – die Entscheidung des Delaware Court of Chancery

Im November 2018 erwarb die Alexion Pharmaceuticals, Inc. („Alexion“) das Unternehmen Syntimmune, Inc. („Syntimmune“) für einen Gesamtkaufpreis von 1,2 Milliarden US-Dollar. Davon wurden 400 Millionen US-Dollar im Wege eines sog. „upfront payments“ im Voraus geleistet, während die restlichen 800 Millionen US-Dollar in Raten nach Erreichen bestimmter Meilensteine ausgezahlt werden sollten. Diese Meilensteine bezogen sich auf die Entwicklung des monoklonalen Antikörpers ALXN1830 von Syntimmune. Alexion verpflichtete sich, über einen Zeitraum von sieben Jahre sog. „commercially reasonable efforts“ zu unternehmen, um diese Meilensteine zu erreichen. Der Umfang dieser Anstrengungen sollte sich gemäß der Vereinbarung danach richten, was ein mit Alexion vergleichbares Unternehmen in einer vergleichbaren Industrie tun und dementsprechend an Anstrengungen unternehmen würde.

Aufgrund verschiedenster umstände schritt die Entwicklung von ALXN1830 jedoch nicht wie erwartet voran. Zunächst wurden die Versuchsprogramme aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen. Dann wurden andere Entwicklungsprogramme betriebsintern priorisiert, was zu einer Verlagerung von Ressourcen führte. Als Alexion im Juli 2021 schließlich durch AstraZeneca übernommen wurde, erfolgte eine Überprüfung der laufenden Programme. Hinsichtlich ALXN1830 wurden dabei potenzielle, aber nicht eindeutig bestätigte Sicherheitsrisiken festgestellt, infolge derer man das Programm im Dezember 2021 letztendlich in Gänze einstellte.

Die Shareholder Representative Services LLC („SRS“) erhob daraufhin im Namen der ehemaligen Anteilseigner von Syntimmune Klage. Sie behauptete, dass Alexion nicht ausreichende (jedenfalls nicht im Sinne der Definition) „commercially reasonable efforts“ unternommen habe, um die verbleibenden Meilensteine zu erreichen.

Entscheidung

Im Kern betraf die Entscheidung des Delaware Court of Chancery die Frage, welches Maß an Anstrengungen Alexion aufgrund der im konkreten Fall verwandten „commercially reasonable efforts“-Klausel unternehmen musste, um die Meilensteine tatsächlich zu erreichen.

Das Gericht legte den betreffenden Vertragspassus aus und stellte fest, dass sich aus dem Vertrag ein objektiver Maßstab ergab, nach welchem die zu leistenden „commercially reasonable efforts“ durch Abstellen auf ein hypothetisches mit Alexion vergleichbares Pharmaunternehmen zu ermitteln gewesen wären. Die maßgebliche Frage lautete daher, wie ein solches Vergleichsunternehmen in der konkreten Situation gehandelt hätte, respektive ob es sich ebenfalls aufgrund der geschilderten Umstände für eine frühzeitige Einstellung des ALXN1830-Programms entschieden hätte.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass Alexion bei der Entwicklung von ALXN1830 nicht die erforderlichen „commercially reasonable efforts“ unternommen hatte. Zum einen beschrieb es die betriebsinterne Priorisierung anderer Programme als eigentümlich. Zum anderen hielt es fest, dass ein hypothetisches Vergleichsunternehmen die Daten, die die Sicherheitsrisiken in Bezug auf das Programm nahelegten, näher überprüft und gegebenenfalls weitere Untersuchungen angestellt hätte. Zuletzt machte es das Streben von AstraZeneca nach Synergieeffekten im Anschluss an die Übernahme von Alexion als weiteren „eigenwilligen“ bzw. insoweit eigentümlichen Grund für die Einstellung des Programms aus. Ein Agieren auf Basis derartiger Motive sowie ein Unterlassen naheliegender Handlungen wären im Ergebnis gerade nicht von einem hypothetischen Vergleichsunternehmen zu erwarten gewesen.

Takeaways

Die Entscheidung unterstreicht zunächst die Bedeutung und Wichtigkeit von „commercially reasonable efforts“-Klauseln, insbesondere deren Auswirkungen im Falle des Ausbleibens der vereinbarten Meilensteinereignisse.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich darüber hinaus, dass eine – wie im vorliegenden Fall – objektivierte Ausgestaltung einer „commercially reasonable efforts“-Klausel als grundsätzlich verkäufer- bzw. lizenzgeberfreundlich anzusehen sein dürfte. Sie führt im Ergebnis dazu, dass eigenwillige bzw. eigentümliche Entscheidungen des Käufers bzw. Lizenznehmers (z.B. im Hinblick auf vereinbarte Entwicklungsverpflichtungen) zumeist als Vertragsverletzungen zu qualifizieren sind, (jedenfalls) sofern diese nicht dem objektiven vernünftigen Verhalten eines hypothetischen Vergleichsunternehmens entsprechen.

Umgekehrt wird deutlich, dass eine (ebenfalls denkbare) subjektive Ausgestaltung solcher Klauseln grundsätzlich käufer- bzw. lizenznehmerfreundlich sein dürfte, da sie auch (vergleichsweise) untypisches Verhalten bzw. Anomalien im Verhalten des Lizenznehmers als vertragsgemäß erscheinen lassen kann, sofern dieses üblicherweise in eigenen Angelegenheiten gepflegt wird. Die Parteien hätte vorliegend etwa auch vereinbaren können, dass sich die „commercially reasonable efforts“ nach dem typischen Verhalten von Alexion in eigenen Angelegenheiten richten sollen. In diesem Fall wären die von Alexion getroffenen Entscheidungen voraussichtlich nicht als Vertragsverletzung zu qualifizieren gewesen – jedenfalls sofern man unterstellt, dass eine frühzeitige Einstellung des Programms aufgrund von Sicherheitsbedenken bzw. eine eigenwillige Priorisierung anderer Programme ein für Alexion – zum damaligen Zeitpunkt – übliches Vorgehen darstelle.

Im Ergebnis wird es jedoch vom Einzelfall abhängen, welche Partei durch welche konkrete Ausgestaltung der Klausel im Einzelfall eine Begünstigung erfährt. Ist der Lizenzgeber etwa allen Konkurrenzunternehmen in seinen üblichen Entwicklungsbemühungen und -anstrengungen deutlich voraus, dürfte ein an diesem Unternehmen ausgerichteter (subjektiver) Vergleichsmaßstab (für den Lizenzgeber) begünstigend wirken. 

Handhabung in Deutschland

„Commercially resonable efforts“-Klauseln finden sich bereits seit längerer Zeit auch in Vertragswerken wieder, auf die deutsches Recht Anwendung findet. Fraglich ist daher, ob und wie sich die Ergebnisse der Entscheidung ins deutsche Recht übertragen lassen.

Ausgangspunkt ist insoweit stets die Frage nach dem einschlägigen Vertragstyp. Verträgen mit „commercially reasonable efforts“-Klauseln ist immanent, dass sie üblicherweise nicht zur Leistung eines konkreten Erfolgs verpflichten. Gerade weil etwa die Entwicklung eines pharmazeutischen Produkts ein risikobehaftetes Unterfangen darstellt, werden regelmäßig nur dahingehende Anstrengungen verlangt bzw. versprochen. Daher stellen Verträge mit „commercially reasonable efforts“-Klauseln in aller Regel nicht Werk- sondern Dienstverträge dar.

Dienstverträge verpflichten zunächst zum (bloßen) Tätigwerden. Die Konkretisierung dieser Dienstleistungspflicht obliegt dabei – außerhalb existierender Standards wie etwa bei Ärzten, Anwälten oder Steuerberatern – den Parteien. Hier setzen die „commercially reasonable efforts“-Klauseln an, die festlegen, welche konkreten Anstrengungen bei der jeweiligen Verpflichtung zum Tätigwerden zu unternehmen sind. Insoweit sind die Erkenntnisse aus der Entscheidung des Delaware Court of Chancery nicht nur hilfreich, sondern können unmittelbar nutzbar gemacht werden auch im deutschen Recht. 

Wer eine verkäufer- bzw. lizenzgeberfreundliche Ausgestaltung wünscht bzw. ausschließen möchte, dass atypisches (Entwicklungs-)Verhalten einer vertragsgemäßen Erfüllung gleichgestellt wird, ist im Regelfall mit einer objektiven Ausgestaltung gut beraten. Soll demgegenüber ein konkreter Vergleichsmaßstab Anwendung finden (z.B. erhöhte Entwicklungsstandards oder etwa besonders risikobehaftete Entwicklungsbemühungen), bietet sich naheliegenderweise eine subjektive Ausgestaltung an. Letztlich wird es bei der Frage der Ausgestaltung aber auf die konkreten Interessen der Parteien ankommen. In jedem Fall sollte die Klausel besondere, die Auslegung erleichternde Bestimmungen beinhalten, da sich anderenfalls durch die Auslegungsbedürftigkeit des Begriffs der „commercially reasonable efforts“ Risiken für beide Parteien ergeben. Ein solche Konkretisierung kann etwa dadurch erfolgen, dass auf eine bestimmte Gruppe von Vergleichsunternehmen abgestellt wird, oder aber eine anderweitige Konkretisierung des Maßstabs an Entwicklungsbemühungen erfolgt (z.B. durch Einschaltung Dritter im Streit- bzw. Einzelfall). Es bleibt anzumerken, dass die je nach Einzelfall erforderliche Konkretisierung das Verhandlungsbedürfnis der betreffenden Klausel(n) unstreitig erhöht und eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Ausgestaltungen daher unerlässlich ist.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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