Disputes & Risk

BGH zum Anfechtungsrisiko für sicherheitsgebende „mittelbare Gesellschafter“

Veröffentlicht am 22nd Nov 2024

BGH, Urt. v. 19. September 2024 – IX ZR 173/23

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Nach § 135 InsO sind Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in der Insolvenz einem besonderen Anfechtungsrisiko ausgesetzt. Hatte ein Gesellschafter für den Darlehensrückzahlungsanspruch eines Dritten eine Sicherheit gewährt und hat die Gesellschaft dieses Darlehen zurückgezahlt, so wurde der Gesellschafter aus der Position des Sicherungsgebers befreit. Ist dies im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung geschehen, so kann der Insolvenzverwalter diese Befreiung nach § 135 Abs. 2 InsO anfechten. Im Ergebnis muss der Gesellschafter das, was die Gesellschaft dem Kreditgeber zurückgezahlt hat, zur Insolvenzmasse erstatten. 

In seiner jüngsten Entscheidung zu diesem Topos des Gesellschafterdarlehensrechts bestätigt und konkretisiert der BGH, inwieweit auch „mittelbare Gesellschafter“ von diesem Risiko betroffen sind. Als „mittelbarer Gesellschafter“ ist derjenige zu verstehen, der an der Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist und auf Grund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann.

Entscheidung

Betrachtet man den § 135 Abs. 2 InsO streng nach seinem Wortlaut, so setzt er voraus, dass der Anfechtungsgegner und der Sicherheitsgeber ein und dieselbe Person sind. Im zugrundeliegenden Fall war dies in gleich zweifacher Hinsicht problematisch: 

  1. Die Anfechtungsgegner waren lediglich zwei „mittelbare Gesellschafter“. Sie hatten also keine Anteile an der Schuldnergesellschaft, sondern nur an einer Gesellschaft, die selbst wiederum Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft war.
  2. Sicherheitsgeber waren weder die Anfechtungsgegner noch die „dazwischengeschaltete“ Gesellschaft, sondern eine dritte Gesellschaft, auf die die Anfechtungsgegner einen beherrschenden Einfluss ausübten.

Der Senat bestätigte zunächst mit Blick auf den ersten Umstand die bisherige Rechtsprechung, wonach das Gesellschafterdarlehensrecht im Einzelfall auch auf die „mittelbaren Gesellschafter“ anwendbar sein kann. Die hierfür notwendige Verbindung zur Schuldnergesellschaft „kann - vertikal - in der Weise bestehen, dass der Dritte an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist. Sie kann aber auch - horizontal - in der Weise ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der darlehensnehmenden und der darlehensgebenden Gesellschaft, beteiligt ist, und zwar an der letztgenannten in maßgeblicher Weise.“ Dabei ist die Beteiligung maßgeblich, wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des hilfeleistenden Unternehmens einen bestimmenden Einfluss ausüben kann.

Mit Blick auf den zweiten Punkt blieb die Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts jedoch verwehrt. Es genügt gerade nicht, dass der Gesellschafter aufgrund seiner maßgeblichen Beteiligung Einfluss auf die Entscheidungen der hilfeleistenden dritten Gesellschaft ausüben und somit die Hilfe veranlassen kann.

Folge und Ausblick

Das Insolvenzrecht kann erbarmungslos wirken: Als wäre es nicht bereits unangenehm genug, dass die Gesellschaft in den finanziellen Ruin gestürzt ist, wird man als Gesellschafter noch zur Kasse gebeten. Und all dies ausgerechnet für eine Sicherheit, deren Zweck bereits vor langer Zeit erledigt schien.

Die lang ersehnte grundlegende Aussage, wie weit der Anwendungsbereich dieses Gesellschafterdarlehensrechts aufgrund seines Zwecks zu fassen ist, trifft der BGH nicht. Die Gewissheit, dass das Risiko der Anfechtung in dem konkreten Fall, in dem man lediglich die Hilfe veranlassen konnte, für sich noch nicht gegeben ist, ist daher ein schwacher Trost für Gesellschafter. Die Einschätzung von Anfechtungsrisiken für Gesellschafter, gerade im Kontext von Konzerngeflechten, bleibt, oft fernab des Gesetzeswortlauts, eine für den Rechtsanwender herausfordernde Einzelfallentscheidung unter Heranziehung der maßgeblichen wirtschaftlichen Perspektive.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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