BGH: Nutzungsverträge für Photovoltaikanlagen sind Mietverträge
Veröffentlicht am 3rd May 2018
Nutzungsverträge zu Errichtung und Betrieb von Photovoltaikanlagen sind rechtlich als Mietverträge und nicht als Pachtverträge einzuordnen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden (Urteil vom 7. März 2018, Az. XII ZR 129/16).
Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass es für die Unterscheidung zwischen Miete und Pacht nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Parteien den Vertrag als Pacht- oder Mietvertrag bezeichnen. Eine Pacht liegt vielmehr nur dann vor, wenn es sich bei der gewonnenen Energie um eine „unmittelbare Sachfrucht des Grundstücks“ handelt. Dies sei aber bei Photovoltaikanlagen nicht der Fall, da die Elektrizität aus dem einstrahlenden Sonnenlicht und nicht aus der Substanz des Grundstücks selbst gewonnen wird.
Einordnung entscheidend für Kündigungsfrist
Unabhängig von der Einordnung unterliegt der Nutzungsvertrag der gesetzlichen Schriftform nach §§ 550, 578 BGB, wie der BGH noch einmal ausdrücklich betont. Er kann daher trotz vorgesehener Festlaufzeit jederzeit ordentlich gekündigt werden, wenn ein Verstoß gegen die Schriftform vorliegt.
Die rechtliche Einordnung als Miet- oder Pachtvertrag entscheidet aber über die Kündigungsfrist im Falle einer solchen Kündigung wegen eines Schriftformverstoßes. Bei einem Pachtvertrag kann eine Kündigung nur zum Schluss eines Pachtjahres erfolgen. Die Kündigungserklärung hat spätestens am dritten Werktag des halben Jahres zu erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht enden soll. Bei einem Mietvertrag gilt eine kürzere Kündigungsfrist: Hier hat die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zu erfolgen, wobei jedoch die Kündigung jeweils nur zum Ablauf eines Kalendervierteljahrs möglich ist.
Anwendung auch auf Windenergie
Es spricht viel dafür, die Entscheidung nicht nur auf Photovoltaik- sondern auch auf Windenergieanlagen anzuwenden. Auch Windenergie wird nicht aus der Substanz des Grundstücks selbst gewonnen, und es drängen sich keine Argumente auf, die zu einer abweichenden Beurteilung führen.
Praktische Auswirkungen des Urteils
Die Entscheidung des BGH ist inhaltlich insoweit überraschend, als dass die Einordnung des Nutzungsvertrages als Miet- und nicht als Pachtvertrag von der bisher in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten Auffassung abweicht.
Für Anwender sind die unmittelbaren Folgen der Entscheidung zunächst überschaubar - von den unterschiedlichen anwendbaren Kündigungsfristen abgesehen. Allerdings dürfte mit dem Urteil feststehen, dass Nutzungsverträge der gesetzlichen Schriftform unterliegen und somit die Möglichkeit einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines Schriftformverstoßes besteht (entgegen dem Urteil der OLG Schleswig vom 17. Juni 2016, Az. 4 U 96/15). Das Urteil des BGH bekräftigt damit noch einmal die besondere praktische Relevanz der Einhaltung der Schriftform. Dies gilt verstärkt, seit der BGH entschieden hat, dass die dem bisherigen Marktstandard entsprechenden Schriftformheilungsklauseln stets unwirksam sind (Urteil vom 27. September 2017, Az. XII ZR 114/16) (hier finden Sie weitere Informationen zu der Entscheidung des BGH zur Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln sowie weitergehende Handlungsempfehlungen).