Beteiligung an Start-ups: Strengere Fusionskontrolle im neuen Jahr?
Veröffentlicht am 23rd Dez 2015
Die deutsche Regierung erwägt, die Fusionskontrolle für die Beteiligung an jungen Unternehmen zu verschärfen. Dem Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts 2016 lässt sich entnehmen, dass das Bundeskartellamt Gelegenheit erhalten soll, derartige Vorhaben zukünftig häufiger zu prüfen und über ihre Freigabefähigkeit zu entscheiden. Transaktionen, die derzeit aufgrund geringer Umsatzerlöse des zu erwerbenden Unternehmens nicht der Fusionskontrolle unterliegen, könnten damit zukünftig anmeldepflichtig sein. Viele Investoren sind dadurch aufgeschreckt und fragen, ob zukünftig jede Beteiligung an einem jungen Unternehmen der Freigabe durch das Bundeskartellamt bedarf. Diese Sorge ist jedoch unbegründet.
Auslöser WhatsApp
Bislang knüpft die Fusionskontrolle an die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen an. Die Bundesregierung schlägt vor, Transaktionen auch dann der Fusionskontrolle zu unterwerfen, wenn das Transaktionsvolumen eine bestimmte Höhe erreicht. Insbesondere könne damit der Erwerb von Unternehmen erfasst werden, die in der Vergangenheit keine hohen Umsatzerlöse erzielt haben. Diese konnten bislang kontrollfrei erworben werden. Häufig komme das wirtschaftliche Potential eines Unternehmens besser im Kaufpreis zum Ausdruck als in den zuvor erzielten Umsätzen. Diese Idee ist nicht neu und ist bereits in anderen Ländern wie den USA umgesetzt (size of transaction test).
Auslöser für diesen Vorstoß war vor allem die Übernahme von WhatsApp durch Facebook im vergangenen Jahr, die trotz eines Kaufpreises von EUR 19 Mrd. nicht bei der Europäischen Kommission angemeldet werden musste. Aufgrund der relativ geringen Umsatzerlöse war die Transaktion lediglich in drei Mitgliedstaaten anmeldepflichtig, da die Umsatzschwellen der europäischen Fusionskontrolle nicht überschritten waren. Eine Prüfung durch die Kommission erfolgte nur deshalb, weil die beteiligten Unternehmen einen entsprechenden Antrag gestellt hatten.
Viel Lärm um nichts?
Viele Investoren sind durch die bislang vagen Ausführungen der Bundesregierung aufgeschreckt worden. Ihre Sorge ist jedoch unbegründet. Zum einen ist zu erwarten, dass das Transaktionsvolumen eine erhebliche Größe erreichen muss, um die Fusionskontrolle überhaupt auszulösen. Zum anderen sind gerade bei Venture Capital-Beteiligungen in aller Regel keine wettbewerblichen Bedenken gegeben, so dass das Bundeskartellamt anmeldepflichtige Vorhaben ohne weiteres freigibt.
Nach den derzeitigen Regeln ist eine Anmeldepflicht nur dann gegeben, wenn die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen drei Schwellen überschreiten. Neben weltweiten Umsatzerlösen aller Beteiligten zusammen (Investor und Target) von mehr als EUR 500 Mio. müssen die deutschen Umsatzerlöse mindestens eines Beteiligten (in der Regel des Investors) mehr als EUR 25 Mio. betragen und die deutschen Umsatzerlöse mindestens eines anderen Beteiligten (in der Regel des Targets) mehr als EUR 5 Mio. betragen.
Darüber hinaus könnte der Erwerb eines Unternehmens zukünftig auch dann anmeldepflichtig sein, wenn das Transaktionsvolumen (häufig der Kaufpreis) eine bestimmte Höhe überschreitet. Die Monopolkommission hat vorgeschlagen, die Fusionskontrolle ab einem Transaktionsvolumen von EUR 500 Mio. eingreifen zu lassen. Sofern der Kaufpreis unter dieser Schwelle liegt, wäre der Erwerb nur anmeldepflichtig, wenn die drei genannten Umsatzschwellen überschritten sind. Wie hoch der Gesetzgeber das Transaktionsvolumen wirklich ansetzen wird, ist derzeit nicht absehbar. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die neue Schwelle im einstelligen Millionenbereich angesiedelt sein wird.
Anmeldepflicht auch beim Erwerb von Minderheitsbeteiligungen
Unabhängig von einer Neuregelung kann auch der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen anmeldepflichtig sein. Sofern die genannten Umsatzschwellen überschritten sind – oder zukünftig ein bestimmtes Transaktionsvolumen erreicht ist – ist eine Transaktion bereits dann anmeldepflichtig, wenn ein Investor nach der Transaktion mindestens 25% oder 50% der Anteile des Unternehmens hält.
Die Fusionskontrolle kann auch bei einem geringeren Erwerb von Anteilen ausgelöst werden, wenn der Investor bestimmte Kontrollrechte erhält. Ausreichend hierfür ist die Möglichkeit, bestimmte geschäftswesentliche Entscheidungen blockieren zu können. In Betracht kommen vor allem Zustimmungsvorbehalte in Bezug auf das Jahresbudget, den Geschäftsplan, größere Investitionen sowie die Besetzung der Unternehmensleitung.
Prüfung vor der Transaktion empfohlen
Anmeldepflichtige Vorhaben dürfen erst vollzogen werden, wenn sie durch das Bundeskartellamt freigeben wurden. Bis dahin besteht ein Vollzugsverbot. Gesellschafts- und Beteiligungsverträge, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind unwirksam und können damit keinerlei Rechte und Pflichten begründen. Zudem kann das Bundeskartellamt Verstöße nach eigenem Ermessen mit Bußgeldern gegen die beteiligten Unternehmen bzw. gegen die verantwortlichen Personen ahnden. Die Höhe des Bußgelds kann bei Unternehmen bis zu 10% des Gesamtumsatzes aus dem vorausgegangen Geschäftsjahr betragen.
Um diese Risiken zu vermeiden, sollten die Beteiligten vor jeder Transaktion prüfen, inwiefern eine Fusionskontrollpflicht besteht. Sofern dies der Fall ist, kann die Anmeldepflicht häufig durch die vertragliche Gestaltung vermieden oder zumindest zeitlich verzögert werden. Bleibt es bei einer Anmeldepflicht, so stellt diese gerade im VC-Bereich eine lediglich formale Hürde dar, die bei zeitiger Berücksichtigung ohne großen Aufwand genommen werden kann.