Bestimmung der Bonushöhe durch das Gericht
Veröffentlicht am 2nd Sep 2016
Hat sich der Arbeitgeber arbeitsvertraglich vorbehalten, über die Höhe eines Bonusanspruchs nach billigem Ermessen zu entscheiden, unterliegt diese Entscheidung der vollen gerichtlichen Überprüfung. Entspricht die Entscheidung nicht billigem Ermessen, so ist sie gemäß § 315 Abs. 3 BGB unverbindlich. Die Höhe des Bonusanspruchs ist nach dem Bundesarbeitsgericht dann unter Zugrundelegung der Parteivorträge von dem Gericht festzusetzen (BAG, Urteil vom 3. August 2016 – 10 AZR 710/14).
Der Sachverhalt
Der Kläger war vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2012 bei einer internationalen Großbank als Managing Director beschäftigt. Die Parteien hatten vertraglich vereinbart, dass der Kläger am jeweils gültigen Bonusplan der Beklagten und/oder am Deferral Plan teilnimmt. Für das Geschäftsjahr 2009 erhielt der Kläger einen garantierten Bonus in Höhe von EUR 200.000,00, für das Geschäftsjahr 2010 einen Bonus in Höhe von EUR 9.920,00. Für das Geschäftsjahr 2011 erhielt der Kläger keinen Bonus. Andere Mitarbeiter hingegen erhielten Leistungen, die sich der Höhe nach überwiegend zwischen 25 und 50 Prozent der jeweiligen Vorjahres-Boni bewegten. Der Kläger macht vor dem Arbeitsgericht einen Anspruch auf Zahlung eines Bonus für das Geschäftsjahr 2011 geltend, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 52.480,00 betragen soll. Bei der Berechnung der Bonushöhe sei nach Auffassung des Klägers ein Vorjahresbonus in Höhe von EUR 209.920,00 zu Grunde zu legen.
Das Arbeitsgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von EUR 78.720,00 verurteilt. Dies entspricht 37,5 Prozent – der rechnerischen Mitte von 25 und 50 Prozent – des Vorjahresbonus des Klägers. Das Landesarbeitsgericht gab der Beklagten Recht. Es war der Ansicht, dass es keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine gerichtliche Schätzung des Bonus gemäß § 287 Abs. 2 ZPO gab. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts war eine Auskunft über die für die Bonushöhe maßgeblichen Umstände nicht entbehrlich. Die von dem Senat zugelassene Revision des Klägers hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts nun Erfolg.
In der ersten Instanz hatte der Kläger nicht nur auf Zahlung, sondern auch auf Auskunft über einige Faktoren, welche für die Höhe des Bonus maßgeblich sind, geklagt. Das Arbeitsgericht hatte diese Klage jedoch abgewiesen. Die diesbezügliche Klageabweisung hatte der Kläger rechtskräftig werden lassen. Möglicherweise, weil das Arbeitsgericht ihm die eigentliche Bonuszahlung zugesprochen hatte.
Die Entscheidung
Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Nach der bislang ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts entschied das Gericht, dass der Kläger nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Anspruch auf einen Bonus und/oder Deferral Award hat, der nach billigem Ermessen festzusetzen war.
Da die Beklagte nicht hinreichend dargelegt hatte, warum sie dazu berechtigt war, den Bonus für das Jahr 2011 auf null festzusetzen, ist die Festsetzung der Beklagten unverbindlich. Daher hatte die Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB unter Zugrundelegung des Sachvortrags der Parteien durch das Gericht zu erfolgen.
Äußert sich der Arbeitgeber zu maßgeblichen Faktoren nicht, geht dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Dem Arbeitnehmer obliegt es nicht, zur Höhe eines Bonustopfes vorzutragen, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegt. Auch kann der Arbeitnehmer in der Regel nicht auf die Erhebung einer Auskunftsklage verwiesen werden. Die Höhe des Bonusanspruchs ist vielmehr durch das Gericht auf Grund der aktenkundig gewordenen Umstände festzusetzen. Zu diesen Umständen zählen beispielsweise die Höhe des Bonusanspruchs in den Vorjahren, wirtschaftliche Kennzahlen und das Ergebnis einer Leistungsbeurteilung.
Eine gerichtliche Leistungsfestsetzung scheidet nur dann ausnahmsweise aus, wenn jegliche Anhaltspunkte hierfür fehlen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts war dies hier entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall. Der Vierte Senat hat den Rechtsstreit zur Festsetzung der Bonushöhe für das Jahr 2011 an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da die gerichtliche Bestimmung der Leistung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig Sache der Tatsacheninstanzen ist.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vereinfacht die gerichtliche Durchsetzung von Bonusansprüchen für Arbeitnehmer.
Sieht ein Arbeitsvertrag vor, dass die Höhe eines Bonus nach billigem Ermessen des Arbeitgebers festgesetzt wird, muss der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände im Einzelfall abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen (BAG, Urteil vom 12. Oktober 2011 – 10 AZR 756/10). Legt der Arbeitgeber die Höhe des Bonus fest ohne die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen, ist die Festlegung unbillig und damit unverbindlich. In diesem Fall wird die Höhe des Bonusanspruchs durch das Gericht bestimmt.
Der Arbeitnehmer kann in der Regel zu den Umständen, die für die Bestimmung der Bonushöhe durch das Gericht maßgeblich sind, nur ungenaue Angaben machen.
Schweigt der Arbeitgeber zu den Faktoren, wie der Höhe des Bonustopfes, Geschäftsdaten oder den Leistungen des Arbeitnehmers, muss er damit rechnen, dass das Gericht bei der Festlegung der Bonushöhe die aktenkundig gewordenen Angaben des Arbeitnehmers zu Grunde legt. Regelmäßig muss der Arbeitnehmer auch nicht zunächst auf Auskunft klagen.