Beschränkung von Gesamtzusagen für neu eintretende Arbeitnehmer
Veröffentlicht am 9th Jan 2015
Der Gebrauch von Gesamtzusagen birgt ein großes Konfliktpotential. Wie Gesamtzusagen dennoch zielgerichtet genutzt werden können, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 20. August 2014, Az. 10 AZR 453/13). Danach können Arbeitnehmer, die im Wege eines Betriebsübergangs in einen Betrieb aufgenommen werden, von den Vergünstigungen einer bestehenden Gesamtzusage ausgeschlossen werden. Dies ist insbesondere für Unternehmen interessant, die unmittelbar vor (Teil-)Unternehmenskäufen stehen und zukünftig die bei ihnen geltenden Arbeitsverträge harmonisieren wollen.
Der Sachverhalt
Die Klägerin stand seit dem 1. Juli 1990 in einem Arbeitsverhältnis zur m GmbH. In der Folgezeit kam es zu mehreren Betriebsübergängen. Zuletzt ging ihr Arbeitsverhältnis am 1. November 2009 auf die Beklagte über, bei der sie als Softwareentwicklerin beschäftigt ist. Bei der Beklagten besteht eine „Krankheitspolicy“. Auf deren Grundlage gewährt die Beklagte ihren Mitarbeitern einen Firmenzuschuss zum Krankengeld. Unter der Überschrift „Scope“ findet sich folgende Regelung zum Geltungsbereich:
„Mitarbeiter auf der deutschen Payroll mit HP Standard Terms & Conditions“
Die Klägerin war seit dem 26. September 2011 bis Ende April 2012 arbeitsunfähig erkrankt und macht nun die Zahlung eines mehrmonatigen Krankengeldzuschusses geltend. Sie behauptet, die Einschränkung des Geltungsbereichs der Zusage sei in der ursprünglichen Krankheitspolicy nicht enthalten gewesen. Im Übrigen halte die Beschränkung einer AGB-Kontrolle nicht stand. Während das Arbeitsgericht Bochum (Az. 3 Ca 847/12) der Klage stattgegeben hat, hat das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 11 Sa 1640/12) sie abgewiesen.
Die Entscheidung
Das BAG wies die Revision der Klägerin zurück. Nach Auffassung des BAG findet die Krankheitspolicy keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin, da sie nicht in ihren Geltungsbereich fällt. Bei der Krankheitspolicy handelt es sich um eine Gesamtzusage. Nach Ansicht des BAG gilt eine solche Gesamtzusage nicht nur für solche Mitarbeiter, die im Zeitpunkt der Verlautbarung im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigt sind, sondern auch für alle später hinzutretenden Arbeitnehmer. Anders ist dies, wenn die Gesamtzusage vor dem Eintritt neuer Mitarbeiter inhaltlich geändert oder gar aufgehoben wird. Die Krankheitspolicy war vor dem Eintritt der Klägerin dahingehend geändert worden, dass nur noch Mitarbeiter mit einem HP Standardarbeitsvertrag erfasst werden sollten. Dies traf auf die Klägerin nicht zu.
Die unter der Überschrift „Scope“ enthaltene Beschränkung hält das BAG für wirksam. Jedenfalls in einem internationalen IT-Unternehmen steht die Verwendung englischer Begriffe oder einer deutsch-englischen Kunstsprache („Denglisch“) dem Transparenzgebot nicht entgegen.
Hinweise für die Praxis
Arbeitgeber sollten bei Ausspruch von betriebsöffentlichen Zusagen an ihre Mitarbeiter größtmögliche Sorgfalt walten lassen. Der Arbeitgeber bindet sich mit einer einmal ausgesprochenen Gesamtzusage gegenüber allen Mitarbeitern, die vom Geltungsbereich der Zusage erfasst sind. Nachträglich kann er sich gegenüber seinen bisherigen Mitarbeitern von einer solchen Zusage individualrechtlich, d.h. nur gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer, entweder im Wege einer Änderungskündigung oder durch eine Änderungsvereinbarung lösen. Freilich versprechen beide Wege in der Praxis wenig Erfolg. Daher ist es umso wichtiger, eine Gesamtzusage immer mit einem Widerrufs- oder Änderungsvorbehalt zu verbinden. Eine weitere interessante Möglichkeit eine Gesamtzusage abzuändern, stellt sich aktuell auf Grundlage einer geänderten Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 5. März 2013 – 1 AZR 417/12). Danach kann eine Gesamtzusage offenbar auch durch eine verschlechternde Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Dies war bislang nur ausnahmsweise zulässig.
Für neu hinzutretende Mitarbeiter bietet die besprochene Entscheidung des BAG insbesondere bei Betriebsübergängen interessante Gestaltungsspielräume. Wird vor einem anvisierten Betriebsübergang eine Gesamtzusage auf Mitarbeiter mit einem Standardarbeitsvertrag des Betriebserwerbers beschränkt, werden die später übernommenen Arbeitnehmer von der Zusage ausgeschlossen. Dies kann die Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang unter Umständen veranlassen, die Arbeitsverträge des Erwerbers zu akzeptieren.
Interessant ist auch der Hinweis des BAG, dass die häufig in internationalen Unternehmen gebräuchliche englische oder deutsch/englische Sprache in Arbeitsverträgen nicht zur Intransparenz führt. Sollte sich ein Unternehmen allerdings nicht in einem internationalen Umfeld bewegen, ist hier Zurückhaltung geboten.