Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen: Neue Ausnahmen von der Ausnahme!
Veröffentlicht am 9th Jan 2015
„Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden“ – so der Grundsatz des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) – Ausnahmen können u.a. die Landesregierungen mittels Verordnung zulassen. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer aktuellen Entscheidung (BVerwG vom 26. November 2014 – Az. 6 CN 1.13) die Bedeutung des Verbots der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung bestätigt und eine entsprechende Landesregelung für zumindest teilweise nichtig erklärt.
Der Sachverhalt
Die Landesregierungen werden durch § 13 Abs. 2 ArbZG ermächtigt, zur Abwehr erheblicher Schäden Ausnahmen von dem gesetzlichen Verbot der Beschäftigung an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen vorzusehen, wenn
- die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse erforderlich ist und
- die Bundesregierung von dieser Ermächtigung noch keinen Gebrauch gemacht hat.
Das Bundesland Hessen sieht in der sog. Bedarfsgewerbeverordnung etliche Ausnahmen von dem Beschäftigungsverbot an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen vor, u. a. für Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Call-Center und Lotto- und Totogesellschaften.
Die Gewerkschaft ver.di sowie zwei evangelische Gemeindeverbände hatten die Bedarfsgewerbeverordnung im Normenkontrollverfahren zur Prüfung gestellt. Die Vorinstanz, der Verwaltungsgerichtshof Kassel, hatte diese insgesamt für nichtig erklärt. Dagegen wandte sich die Landesregierung Hessen mit der Revision zum BVerwG.
Die Entscheidung
Die Leipziger Richter haben das Urteil des VGH Kassel teilweise bestätigt. Zunächst einmal hielt das BVerwG fest: Es stellt keinen erheblichen Schaden i. S. d. Gesetzes dar, wenn der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nicht hinter dem Wunsch zurücktreten muss, spontan auftretende Bedürfnisse auch sofort erfüllt zu bekommen. Aus diesem Grund bestätigten die Leipziger Richter die Nichtigkeit der Ausnahmen für Videotheken, öffentliche Bibliotheken sowie Lotto- und Totogesellschaften zur elektronischen Geschäftsabwicklung.
Soweit die Bedarfsgewerbeverordnung die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen in Call-Centern betreffe, sei die Ausnahme an sich nicht hinreichend umgrenzt. Der Betrieb von Call-Centern im Allgemeinen könne wohl nicht erforderlich sein, um hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung gerade an Sonn- und Feiertagen zufriedenzustellen.
Allerdings waren die Leipziger Richter entgegen dem VGH Kassel der Auffassung, dass die Zulassung einer Beschäftigung von Arbeitnehmern in den Bereichen der Getränkeindustrie und den Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie dem damit zusammenhängenden Großhandel nicht schon deshalb nichtig sei, weil derartige Ausnahmen wegen ihrer Wesentlichkeit für den Sonn- und Feiertagsschutz nur durch den parlamentarischen (Bundes-)Gesetzgeber zugelassen werden dürften. Grundsätzlich könnte eine entsprechende Ausnahmeregelung auch durch die Landesregierungen getroffen werden.
Die Produktion in diesen Betrieben ist allerdings nur dann auch an Sonn- und Feiertagen zur Deckung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich, wenn die Kapazitäten der Hersteller nicht ausreichen, um ohne eine Produktion rund um die Woche auch in Spitzenzeiten der Nachfrage, also insbesondere im Sommer bei länger anhaltenden Hitzeperioden, einen dann gegebenen erhöhten Bedarf täglich decken zu können. Hierzu fehlen bisher tatsächliche Feststellungen. Deshalb hat das BVerwG insoweit die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den VGH zurückverwiesen.
Hinweise für die Praxis
Viele Bundesländer haben von der Verordnungsermächtigung des Arbeitszeitgesetzes Gebrauch gemacht und ähnliche Regelungen wie das Land Hessen getroffen. Nach dem Urteil des BVerwG müssen auch diese Bundesländer ihre Regelungen überdenken. Das BVerwG hat jedenfalls deutlich den Stellenwert des Verbots der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung hervorgehoben und gestärkt. Kritik an dem Urteil regt sich insbesondere bei Betreibern von Call-Centern. Diese fordern eine neue bundesgesetzliche Regelung, um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben auch weiterhin an sieben Tagen in der Woche für ihre Kunden erreichbar zu sein. Wie der Gesetzgeber sich entscheiden wird, bleibt abzuwarten.