BaFin lockert Aufsichtspraxis in Zeiten Coronas – auch für FinTechs?

Veröffentlicht am 2nd Apr 2020

Die Corona-Pandemie hat auch den Finanzsektor fest im Griff und hält die Marktteilnehmer in Atem. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Krise gab die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) am 24. März 2020 Anpassungen ihrer Aufsichtspraxis in einer Pressemitteilung bekannt.

Das Maßnahmenpaket der BaFin sieht insbesondere eine Lockerung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zugunsten von Banken, Wertpapierdienstleistungs- und Versicherungsunternehmen vor. Andere Finanzdienstleistungssektoren, in denen häufig regulierte FinTechs unterwegs sind, wie Payment-Bereich, alternative Finanzierung (zB Crowdfunding) oder Factoring / Kryptoverwahrgeschäft, scheinen nicht auf dem Schirm der BaFin.

Zur Unterstützung betroffener Unternehmen im Finanzsektor sieht die BaFin – in Kooperation mit der Deutschen Bundesbank – Maßnahmen vor, welche den Unternehmen die nötige Flexibilität verschaffen sollen, um sich auf eine operationelle Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs und die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft fokussieren zu können.

Zu den Maßnahmen zählen insbesondere abgeschwächte Anforderungen an die für eine Kreditwürdigkeitsprüfung erforderliche Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des kreditbeantragenden Unternehmens („Kreditnehmer“) (§ 18 Kreditwesengesetz –„KWG“). Die BaFin stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, dass zwar nicht auf eine Kreditwürdigkeitsprüfung verzichtet werden darf, für eine Prüfung der Kreditwürdigkeit jedoch die Analyse des letzten verfügbaren Jahresabschlusses (derzeit meist der von 2018) ausreichen solle. Auch bei der Bewertung der Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers sollen nunmehr geringere Anforderungen einzuhalten sein. Hierfür sollen ganzjährige Liquiditätsbetrachtungen des Kreditnehmers aus der Vergangenheit (und damit nicht zwingend aktuelle) herangezogen werden können.

Die vorgenannten Erleichterungen der Vergabe von Krediten an hilfsbedürftige Unternehmen sollen insbesondere der Unterstützung staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise dienen (zu nennen wäre etwa das durch die Bundesregierung ins Leben gerufene Kredit-Sonderprogramm für Unternehmen über die staatliche Förderbank KfW, nähere Informationen, hier).

Ziel dieser Maßnahmen scheint auf den ersten Blick daher weniger die Unterstützung der Finanzmarktakteure selbst als die Sicherstellung der staatlichen Unterstützungsleistungen zugunsten der durch die Corona-Krise in finanzielle Schieflage geratenen Realwirtschaftsunternehmen zu sein. Die Maßnahmen dürften sich insgesamt auch zugunsten der Banken auswirken. Dies jedenfalls im Hinblick auf weniger aufwendige Kreditvergabeverfahren.

Eine Restunsicherheit der kreditvergebenden Banken bleibt jedoch im Hinblick auf mögliche hohe Ausfallquoten. So wird befürchtet, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Unternehmen die schweren Auswirkungen der Corona-Krise auch langfristig nicht wird überwinden können, was zumindest einen teilweisen Ausfall der Kreditrückzahlungsansprüche der Banken zur Folge hätte.

Das Ausfallrisiko wird zwar durch die – im Rahmen des am 25. März 2020 durch den Bundestag verabschiedeten „Corona-Hilfspaketes“ (näherer Informationen, hier) beschlossenen – staatlichen Risikoübernahmen in Höhe von bis zu 90% (im Falle der Finanzierung von Betriebsmitteln kleiner oder mittelständischer Unternehmen; bis zu 80% im Falle der Finanzierung von Betriebsmitteln großer Unternehmen) reduziert, allerdings bestehen verbreitet Befürchtungen, dass die bislang beschlossenen Höchstgrenzen der staatlichen Garantieübernahmen nicht ausreichen werden.

Im Hinblick auf eine zu befürchtende Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes wird daher vermehrt eine Staatsgarantie in Höhe von 100 Prozent gefordert. Ob es zu einer Nachjustierung der staatlichen Risikoübernahme kommen wird, dürfte insbesondere von der „Corona-Kreditbewilligungsquote“ der Banken – mithin der Durchschlagskraft des bisherigen Hilfspaketes – abhängen.

Neben den Maßnahmen im Bereich der Bankenaufsicht will die BaFin auch im Bereich der Wertpapieraufsicht hinsichtlich der Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben Nachsicht walten lassen. So will die BaFin Verstöße gegen die Verhaltens- und Informationspflichten im Wertpapier- und Fondsgeschäft, wie etwa die Erbringung von Geschäften aus dem Homeoffice, bis auf Weiteres dann nicht verfolgen, sofern etwaige Dokumentations- oder Informationslücken „geeignet geschlossen“ und die Kunden hierüber informiert werden. Auch sollen während der Corona-Krise die Anforderungen zu Ad-hoc-Mitteilungen im Insider-Trading-Bereich etwas gelockert werden.

Zur Klärung näherer Fragen in Bezug auf die Anpassung der aufsichtsrechtlichen Praxis hat die BaFin FAQs zu Corona-Themen in Bezug auf die Banken-,Wertpapier- und Versicherungsaufsicht auf ihrer Website veröffentlicht.

In Bezug auf sogenannte bedeutende Institute (hierunter fallen solche großen Banken, die der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank („EZB“) unterliegen) verweist die BaFin auf die auf der Website der EZB veröffentlichte FAQ-Liste.

Maßnahmen zugunsten anderer Unternehmen oder regulierter FinTechs – neben Banken, Wertpapierdienstleistungs- und Versicherungsunternehmen – sind durch die BaFin bislang nicht bekanntgegeben worden. Die bekanntgegebenen Maßnahmen der BaFin dürften an einem Großteil der jungen innovativen FinTech-Branche vorbeigehen, da diese in der Regel keine Kredite vergeben oder zu Wertpapieren / Finanzinstrumenten beraten.

Abschließend spricht die BaFin in ihrer Pressemittelung gleich eine ganze Reihe von Hinweisen und Empfehlungen aus. So rät die BaFin Finanzinstituten etwa, „mit vorhandenen Kapitalressourcen sehr sorgfältig umzugehen“ und daher von Aktienrückkäufen Abstand zu nehmen sowie Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abzuwägen (sprich abzusagen).

Ferner rät die BaFin, die Übergangsregeln zum Rechnungslegungsstandard IFRS 9 anzuwenden sowie ihre Mittelfristbetrachtung zu stärken. Insbesondere sollen bei Corona-bedingten Zahlungsverzügen laut BaFin auch die staatlichen Maßnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Folgerungen bei der Prüfung von Kreditanträgen durch Finanzinstitute berücksichtigt werden. Hinsichtlich näherer Details in Bezug auf die Kalkulation erwarteter Kreditverluste nach IFRS 9 verweist die BaFin auf das am 25. März 2020 veröffentlichte „Public Statement“ der ESMA (nähere Informationen, hier).

Mit der Umsetzung der geschilderten Maßnahmen schließt sich die BaFin entsprechenden Empfehlungen der EU-Regulierungs- und Aufsichtsinstanzen sowie von internationalen Standardsetzern an. Aufgrund der sich täglich weiter überschlagenden Ereignisse, insbesondere im Hinblick auf die immer kurzfristiger fallenden Beschlüsse sowohl nationaler und als auch internationaler politischer Entscheidungsträger in Antwort auf die Corona-Krise, ist mit weiteren Justierungen der BaFin-Maßnahmen zu rechnen. Weitere Entwicklungen bleiben daher abzuwarten und dürften insbesondere von der Schwere des weiteren Verlaufs der Corona-Krise sowie den Reaktionen der politischen Entscheidungsträger hierauf abhängen.

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