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Ausweitung der außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrolle

Veröffentlicht am 7th May 2021

Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erarbeitete und jüngst vom Bundeskabinett beschlossene Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (17. AWV-Novelle) ist nunmehr in Kraft getreten. Die Novelle reiht sich in eine Kette zahlreicher Reformen aus dem vergangenen Jahr ein, die auf eine verschärfte Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in deutsche Unternehmen abzielen. Angesichts ihrer weitreichenden Auswirkungen auf die künftige Transaktionspraxis, verschafft der folgende Beitrag einen Überblick über die wichtigsten Änderungen.

 

Ausweitung der sektorübergreifenden Investitionskontrolle

Im Mittelpunkt der 17. AWV-Novelle steht die Ausweitung der sogenannten sektorübergreifenden Investitionskontrolle. Grundsätzlich können alle Unternehmenstransaktionen, durch die unionsfremde Investoren 25% oder mehr der Stimmrechte einer deutschen Gesellschaft erwerben, einer Kontrolle durch das BMWi unterliegen. Dabei wird geprüft, ob der Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen EU-Mitgliedsstaats voraussichtlich beeinträchtigen wird. Ist das inländische Zielunternehmen in einem besonders sensiblen Sektor tätig, gelten niedrigere Prüfeintrittsschwellen und eine Meldepflicht. Bislang sah § 55 Abs. 1 AWV a.F. einen Katalog mit 11 besonders prüfrelevanten Fallgruppen vor. Hier ist schon der Erwerb von 10% aller Stimmrechtsanteile zwingend beim BMWi anzuzeigen. Durch den neu eingefügten § 55a Abs. 1 AWV werden diese Fallgruppen auf nunmehr 27 erhöht. Damit dürfte die Zahl der Prüffälle in naher Zukunft signifikant steigen

Schwerpunktsetzung auf Zukunfts- und Hochtechnologie-Sektoren

Die neuen Fallgruppen sind überwiegend im Bereich der Zukunfts- und Hochtechnologie angesiedelt. Dazu zählen etwa Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Halbleiter, Optoelektronik oder Quantentechnologie. Außerdem findet künftig eine Differenzierung bei den Prüfeintrittsschwellen statt. Beim Erwerb von Stimmrechtsanteilen an Unternehmen der Fallgruppen § 55a Abs. 1 Nr. 1 - 7 AWV (insb. Kritische Infrastrukturen) bleibt es bei der bisherigen Schwelle von 10%. Hingegen wird die Prüfeintrittsschwelle bei Unternehmen der übrigen Fallgruppen nach § 55a Abs. 1 Nr. 8 - 27 AWV (insb. Zukunfts- und Hochtechnologie) auf nunmehr 20% angehoben. Das soll eine Entlastung von Start-ups und Finanzinvestoren herbeiführen, die typischerweise in diesen Wirtschaftszweigen tätig und künftig von der Ausweitung der Investitionskontrolle betroffen sind.

Klarstellung beim Hinzuerwerb von Stimmrechtsanteilen

Eine weitere Änderung der 17. AWV-Novelle betrifft den Hinzuerwerb von Stimmrechtsanteilen. Der neu eingefügte § 56 Abs. 2 AWV stellt ausdrücklich fest, dass nicht nur der erstmalige, sondern auch darauffolgende, aufstockende Erwerbe von Stimmrechtsanteilen durch denselben Erwerber eine Investitionsprüfung auslösen. Dies entspricht zwar schon der bisherigen Prüfpraxis. In Zuge der jüngsten Novellierung wurde allerdings, nach vorheriger Kritik aus der Wirtschaft, die Prüfrelevanz auf bestimmte gesellschaftsrechtlich relevante Schwellenwerte limitiert (20%, 25%, 40%, 50% oder 75%). Damit kann nicht (mehr) jeder Hinzuerwerb minimaler Beteiligungen jenseits der Prüfeintrittsschwelle eine Meldepflicht beim BMWi auslösen. Eine solche entsteht nur dann, wenn mit dem Hinzuerwerb eine tatsächliche Verschiebung der gesellschaftsinternen Kontrollsituation zugunsten des Erwerbers verbunden ist.

Auch atypische Kontrollerwerbe von Investitionskontrolle erfasst

Schließlich werden Investitionsprüfungen nicht mehr nur noch durch den (Hinzu-) Erwerb von Stimmrechtsanteilen ausgelöst. Auch sogenannte atypische Kontrollerwerbe sind fortan gemäß § 56 Abs. 3 AWV von der Prüfung durch das BMWi erfasst. Darunter fallen solche Regelungen, die dem Erwerber eine mit einem höheren Stimmrechtsanteil vergleichbare Einflussmöglichkeit verschaffen. Namentlich sind das die Zusicherung weiterer Sitze und Mehrheiten in Aufsichtsgremien oder in der Geschäftsführung sowie die Einräumung von Veto- oder Informationsrechten.

Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

Mit Ausweitung der sektorspezifischen Investitionskontrolle auf Hochtechnologiesektoren hat die Bundesregierung deutlich gemacht, die deutsche Wirtschaft zukunfts- und widerstandsfähig machen zu wollen und die Kontrolldichte gegenüber ausländischen Investoren zu erhöhen. Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass parallel zur Ausweitung der Investitionsprüfung eine wichtige Verfahrensänderung stattfand. Wegen dem neuen § 58 Abs. 3 AWV wird es nicht mehr möglich sein, im Vorfeld eines meldepflichtigen Erwerbs eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beim BMWi zu beantragen. Bis zum Abschluss der Investitionsprüfung durch das BMWi bleibt der Erwerb stets schwebend unwirksam. Damit entfällt ein wichtiges Instrument, um im Rahmen einer Transaktion zügig Rechtsklarheit zu erhalten. Wenngleich all diese Änderungen nicht zwangsläufig dazu führen, dass auch mehr ausländische Investitionen durch das BMWi untersagt werden, steigt hierzulande jedenfalls der Zeit- und damit auch der Kostenaufwand vieler Transaktionen. Für ausländische Investoren wird sich dieser Umstand sicherlich auf künftige Investitionsentscheidung auswirken.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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