Außerordentliche Kündigung eines Sicherheitsmitarbeiters wegen Verlassens seines Kontrollbereichs zulässig
Veröffentlicht am 30th Okt 2015
Das Arbeitsverhältnis eines Sicherheitsmitarbeiters kann aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, wenn er die ihm obliegende Ausgangskontrolle in einem besonders zu sichernden Bereich während eines erheblichen Zeitraums ohne Grund verlässt. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. September 2015 – 17 Sa 810/15).
Der Sachverhalt
Die Beklagte, ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes, setzte den Kläger bei der Kontrolle des Ausgangs des Produktionsbereichs einer Münzprägeanstalt ein. Dieser Produktionsbereich wurde durch ein Drehkreuz gesichert, welches die Mitarbeiter ungehindert passieren konnten, sofern es nicht durch einen Zufallsgenerator gesperrt wurde. Im Fall einer Sperrung erfolgte eine Personenkontrolle durch das Wachpersonal.
Der Kläger deaktivierte den Zufallsgenerator und verließ den Kontrollbereich ohne eine Vertretung zu organisieren. Er hielt sich sodann längere Zeit bei einem Mitarbeiter der Münzprägeanstalt auf, von dem er den Rest eines Kunststoffrohrs ohne den vorgeschriebenen Begleitschein entgegennahm und es in sein Kraftfahrzeug brachte. Während seiner Abwesenheit konnte der Produktionsbereich unkontrolliert verlassen werden.
Wenige Tage später stellte die Münzprägeanstalt einen Verlust von Gold im Wert von ca. 74.000 Euro fest. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund. Hiergegen wehrte sich der Kläger.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG erachtete die Kündigung hingegen für rechtswirksam.
Die Entscheidung
Nach Auffassung des LAG ist die außerordentliche Kündigung angesichts der schwerwiegenden Pflichtverletzung auch ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt.
Der Kläger habe den von ihm zu sichernden Bereich ohne jede Veranlassung für einen erheblichen Zeitraum preisgegeben, als er nach einer Veränderung der Kontrolleinrichtung den Kontrollbereich verließ, ohne einen Ersatz herbeizurufen. Er habe damit das besondere Sicherungsinteresse der Münzprägeanstalt verletzt, für das die Beklagte einzustehen habe.
Mit der unerlaubten Mitnahme des Kunststoffrohrs habe der Kläger zudem ein Verhalten an den Tag gelegt, das mit seiner Beschäftigung gerade habe verhindert werden sollen. Aufgrund dieser schweren Pflichtverletzungen sei es der Beklagten nicht zuzumuten gewesen, den Kläger abzumahnen und anschließend wieder als Sicherheitsmitarbeiter zu beschäftigen; sie habe vielmehr das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden dürfen.
Hinweise für die Praxis
Ob eine Kündigung berechtigt ist oder nicht ist immer Frage des Einzelfalls. Arbeitgeber sind gehalten zu prüfen, ob nicht zumutbare mildere Mittel zur Verfügung stehen, um auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung eines Mitarbeiters zu reagieren. Regelmäßig kann die Erteilung einer Abmahnung gegenüber einer Kündigung ein solch milderes Mittel sein.
In Ausnahmefällen ist eine vorherige Abmahnung nach der Rechtsprechung jedoch entbehrlich, so auch im vorliegenden Fall.
Eine Entbehrlichkeit kann beispielsweise etwa bei schweren Pflichtverstößen, die den Vertrauensbereich beeinträchtigen, wie z.B. in Diebstahlsfällen, gegeben sein oder wenn dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres erkennbar war und ihm bewusst sein musste, dass der Arbeitgeber sein Fehlverhalten nicht hinnehmen wird.
Auch wenn ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, sollten Arbeitgeber im ersten Schritt zunächst beurteilen, ob anstelle der Kündigung eine Abmahnung auszusprechen ist oder auf diese verzichtet werden kann. Fehlt es an einer tatsächlich erforderlichen vorherigen Abmahnung, ist eine Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam.