Auch Arbeitnehmer müssen schriftlich kündigen – Formanforderungen an sog. Turbo-Klauseln in Abwicklungsverträgen

Veröffentlicht am 15th Jun 2016

Ein Abwicklungsvertrag kann für den Arbeitnehmer die Möglichkeit vorsehen, sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings entschieden, dass eine entsprechende Erklärung zwingend der Schriftform gemäß § 623 BGB bedarf (BAG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 6 AZR 709/14).

Der Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 13. Mai 1997 beim ambulanten Pflegedienst der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 26. August 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2014. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage. In dem Verfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund der streitgegenständlichen Kündigung mit Ablauf des 28. Februar 2014 enden sollte. Mit Wirkung zum 1 . November 2013 wurde die Klägerin von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt.

Mit Schreiben vom 26. November 2013 zeigte die Klägerin der Beklagten das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. November 2013 an. Die Beklagte hatte der Klägerin im Vergleich das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eingeräumt. Das Schreiben wurde per Telefax übermittelt. Ein Original wurde nicht übersandt. Daraufhin kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos. Die Klägerin erhob erneut Kündigungsschutzklage und begehrte Feststellung ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. November 2013.

Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt, den Feststellungsantrag im Übrigen jedoch abgewiesen. Soweit die Klage abgewiesen wurde, begehrte die Klägerin daraufhin mit ihrer Berufung Abänderung der Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrte die Beklagte daraufhin Zurückweisung der Berufung.

Die Entscheidung

Das BAG hat die Berufung zurückgewiesen und sich der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis nicht durch Telefaxschreiben vom 26. November 2013 beendet wurde. Die Kündigung sei nichtig, da ein solches Schreiben der Schriftform gemäß § 126 BGB nicht genüge.

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedarf gemäß § 623 BGB der Schriftform. Im Gegensatz hierzu bedarf der Abwicklungsvertrag nicht der Schriftform. Denn das Arbeitsverhältnis wird nicht durch den Abwicklungsvertrag, sondern durch die Kündigung beendet. Die Anzeige des vorzeitigen Ausscheidens hingegen bedarf nach Auffassung des Gerichts der Schriftform. Es handele sich hierbei um eine Willenserklärung, welche auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Erst mit Abgabe dieser Willenserklärung könne das Arbeitsverhältnis beendet werden. Aus diesem Grund stelle sie eine Kündigung dar, bei der zwingend § 623 BGB zu beachten ist. Darüber hinaus bestehe kein Anlass, insoweit eine teleologische Reduktion des § 623 BGB vorzunehmen. Die Vorschrift beinhalte keine Einschränkungen, so dass sie alle auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Willenserklärungen erfasst.

Im Übrigen genügt eine per Telefax übermittelte schriftliche Erklärung den Anforderungen des § 126 BGB nicht, da die vom Empfangsgerät hergestellte Kopie lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift wiedergibt (vgl. BAG, Urteil vom 11. Juni 2002 – 1 ABR 43/01).

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des BAG betrifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Arbeitgeber sollten darauf achten, in Abwicklungsverträgen keine von der Schriftform des § 126 BGB abweichenden Formerfordernissen mehr zu vereinbaren. Arbeitnehmer sollten ihre Praxis der Erklärung des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ändern. Denn eine Erklärung per Telefax oder E-Mail ist nicht mehr zulässig. Bekommt ein Arbeitnehmer unerwartet ein neues Stellenangebot, muss er von nun an die Postlaufzeit bei der Frist zur vorzeitigen Beendigung beachten oder die Erklärung in Schriftform persönlich abgeben.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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