Schriftformheilungsklauseln sind unwirksam: Was nun?

Veröffentlicht am 23rd Nov 2017

Schriftformheilungsklauseln sind stets unwirksam. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 27. September 2017 entschieden (Az. XII ZR 114/16).

Hintergrund des Urteils

Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen sollen verhindern, dass eine Partei einen Mietvertrag wegen eines Schriftformverstoßes vorzeitig kündigt. Nach § 550 BGB ist eine in einem Mietvertrag vereinbarte Festlaufzeit unwirksam, wenn der Mietvertrag nicht in schriftlicher Form geschlossen wird. Ist die Festlaufzeit unwirksam, kann jede Partei den Mietvertrag jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen kündigen.

In der Praxis kommt die Möglichkeit einer Kündigung wegen eines Schriftformverstoßes regelmäßig dann zur Sprache, wenn für eine Vertragspartei der Mietvertrag wirtschaftlich nicht länger attraktiv ist. Schriftformverstöße werden dann genutzt, um den Mietvertrag entweder tatsächlich vorzeitig zu kündigen, oder unter Androhung einer Kündigung die Konditionen des Mietvertrages nachzuverhandeln.

Ein Verstoß gegen die Schriftform kann in der Vertragspraxis schnell zustande kommen. Es reicht z.B., wenn die Parteien nachträglich Abweichungen zu Miethöhe, Mietfläche oder sonstigen Vereinbarungen treffen, ohne hierzu einen förmlichen Nachtrag abzuschließen, oder wenn eine Nachtragsvereinbarung nicht korrekt Bezug auf den Mietvertrag sowie etwaige schon bestehende Nachträge nimmt. Darum wurden seit langem in Gewerberaummietverträgen standardmäßig Schriftformheilungsklauseln vereinbart. Sie sollten verhindern, dass eine Partei den Mietvertrag unter Berufung auf eine Schriftformverletzung vorzeitig kündigt.

Rechtlich unsicher, aber praktisch relevant

Ob eine solche Klausel rechtlich wirksam ist, war immer umstritten und wurde von den Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt. Seit einem Urteil des BGH von 2014 stand fest, dass eine Schriftformheilungsklausel einen durch Grundstückserwerb in den Mietvertrag eintretenden Dritten nicht bindet (Urteil vom 30. April 2014 – XII ZR 146/12). Über die grundsätzliche Wirksamkeit hatte der BGH dabei noch nicht entschieden. Trotz der Unsicherheit über ihre Wirksamkeit dürften Schriftformheilungsklauseln aber oft verhindert haben, dass eine Kündigung wegen eines Schriftformverstoßes tatsächlich ausgesprochen wurde. Die Partei mit Kündigungswunsch musste das Vorhandensein einer solchen Regelung immer als zusätzlichen Risikofaktor einkalkulieren.

Wie können Vermieter und Mieter reagieren?

Mit der Entscheidung des BGH steht fest, dass Schriftformheilungsklauseln unwirksam sind. Zukünftig dürfte daher für Mietparteien, die sich von einem Vertrag lösen wollen, der Anreiz steigen, eine Kündigung wegen eines vermeintlichen Schriftformverstoßes auch tatsächlich auszusprechen. Auch für angestrebte Nachverhandlungen kommt einer entsprechenden Drohung mit Kündigung damit künftig höheres Gewicht zu.

Das Thema ist daher sowohl aus Vermieter- als auch aus Mietersicht eine noch höhere Aufmerksamkeit als bisher zu schenken. Es empfehlen sich die folgenden Maßnahmen:

1. Bei der Gestaltung und Verhandlung von neuen Mietverträgen ist verstärkt darauf zu achten, keine Einfallstore für Schriftformverstöße zu eröffnen. Alle Vertragsinhalte müssen sich aus dem Mietvertrag selbst ergeben. Wenn Mietflächen oder Mietzahlungen bei Abschluss des Mietvertrages noch nicht abschließend feststehen, ist in der Regel der Abschluss eines Nachtrages notwendig, sobald diese feststehen.

2. Bestehende Verträge, deren Bestand von besonderer Bedeutung ist, sollten vorsorglich daraufhin überprüft werden, ob Schriftformverstöße vorliegen. Falls ja, können diese durch formwirksame Nachträge geheilt werden.

3. Vertragsanpassungen sollten immer in Form eines förmlichen Nachtrags zum Mietvertrag erfolgen. Wann immer ein Nachtrag abgeschlossen wird, bietet es sich an, auch zu prüfen, ob bei dieser Gelegenheit eventuell vorhandene Schriftformverletzungen geheilt werden können.

4. Mit Mietverträgen befasste Mitarbeiter sollten durch Schulungen für das Problem der Schriftform sensibilisiert werden. Fast immer lassen sich Schriftformverletzungen verhindern, wenn allen beteiligten Akteuren die Problematik bewusst ist.

5. Mieter sollten verstärkt die Möglichkeit prüfen, das eigene Nutzungsrecht durch Eintragung einer Mieterdienstbarkeit im Grundbuch abzusichern. Verhandlungsstarke Mieter sichern sich schon seit längerem über Mieterdienstbarkeiten nicht nur gegen das Risiko einer vorzeitigen Vertragsbeendigung im Zusammenhang mit einer Insolvenz des Vermieters oder Zwangsversteigerung des Mietobjekts ab, sondern auch gegen Kündigungen wegen Schriftformverstößen.

6. Es bleibt abzuwarten, ob sich auf Dauer neue vertragliche Standardklauseln etablieren, die Kündigungen wegen Schriftformverstößen verhindern können. Der BGH hat den bisherigen Schriftformheilungsklauseln eine klare Absage erteilt. An dieser Stelle ist daher wenig Raum für neue Gestaltungen.

Andere Ansatzpunkte für vertragliche Gestaltungen sind aber denkbar. Die Parteien können beispielsweise vertraglich vereinbaren, dass Vertragsänderungen nur wirksam sind, wenn sie die strenge gesetzliche Schriftform einhalten. Durch eine solche Klausel lässt sich die Wahrscheinlichkeit eines nachträglichen Schriftformverstoßes deutlich reduzieren. Es reicht aber nicht aus, eine entsprechende Standardklausel in jeden Mietvertrag aufzunehmen. Wirksam ist eine solche Regelung nur, wenn sie rechtlich keine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) darstellt. Die Regelung ist daher an den jeweiligen Einzelfall anzupassen und mit dem Vertragspartner ausdrücklich zu verhandeln.

7. Wenn eine Kündigung wegen eines Schriftformverstoßes angedroht oder tatsächlich ausgesprochen wird, ist nicht nur zu prüfen, ob tatsächlich ein Schriftformverstoß vorliegt. Auch wenn ein Schriftformverstoß vorliegt, kann eine Kündigung treuwidrig und damit unwirksam sein. In seiner Entscheidung hat der BGH eine Treuwidrigkeit für den Fall bejaht, dass eine Mietvertragspartei eine Kündigung auf eine nachträglich getroffene Vereinbarung stützt, wenn diese spätere Vereinbarung ihr lediglich vorteilhaft ist. Dieser rechtliche Ansatz ist nicht neu, wird aber zukünftig eine stärkere Rolle spielen. Auch aus anderen Gründen kann eine Kündigung treuwidrig sein, etwa wenn sich nachweisen lässt, dass eine Partei bewusst eine Schriftformverletzung herbeigeführt hat, um eine Kündigung zu ermöglichen.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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